Verhaltensstörungen bei Demenz
06.07.2017
Stefanie Reuter
Verhaltensstörungen wie Aggressivität, Unruhe, Depression und Enthemmung treten bei 76-96 Prozent aller Menschen mit Demenz auf. Diese bilden den größten Stressfaktor für beruflich Pflegende und Angehörige. In einer aktuellen Studie, die im Ärzteblatt publiziert wurde, wird der aktuelle Kenntnisstand zur medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapie von Verhaltensstörungen zusammengefasst.
Der Autor, Prof. Dr. med. Torsten Kratz, Leiter der gerontopsychiatrischen Abteilung am Königin Elisabeth Herzberge Krankenhaus in Berlin, kommt zu dem Ergebnis, dass Verhaltensstörungen bei Demenzerkrankten oft nachvollziehbare Ursachen haben, die zuvor abgeklärt werden sollten. Da die Betroffenen nicht mehr verbal äußern können, was ihnen fehlt, sollten erst Gründe für die Verhaltensänderung gesucht werden. Beispielsweise sollten organische Ursachen, wie eine Hypothyreose, eine Herzinsuffizienz, Schmerzen oder auch ein Delir, abgeklärt und behandelt werden, die zu nächtlicher Unruhe, Depressivität oder auch Aggression führen können. Keinesfalls sollte sofort symptomatisch mit Psychopharmaka über einen längeren Zeitraum therapiert werden, bevor nicht andere Ursachen für die Verhaltensstörung ausgeschlossen werden konnten.
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren
Als mindestens genauso wichtig sieht der Studienautor die Anwendung nichtmedikamentöser Interventionen an. An erster Stelle sei hier die Schulung von Pflegenden und Angehörigen genannt, die einen defizitorientierten Umgang mit dem Kranken unbedingt vermeiden sollten. Dieser führe dazu, dass die Betroffenen ihre Defizite bemerken, diese aber nicht kognitiv bearbeiten können, was zu Depressivität und Aggression führen könne.
Mit Erinnerungstherapie, die zum Beispiel durch das gemeinsame Anschauen von älteren (Urlaubs-)Fotos gestaltet werden kann, könne eine angenehme emotionale Atmosphäre geschaffen werden, die Aggressivität und Unruhe reduzieren. Auch die Beschäftigung mit einer dem Kranken angemessenen Aufgabe, die seiner Biografie entspreche, könne eine positive Auswirkung auf die eigene Orientierung und Reduzierung von Ängsten und Aggression haben. Ebenso konnten positive Effekte durch Ergotherapie, Musiktherapie, körperliches Training und Snoezelen erzielt werden.
Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung sollte in einem Gesamtkonzept mit nichtmedikamentösen Behandlungen erfolgen. Psychopharmaka sollten erst dann eingesetzt werden, wenn nichtmedikamentöse Behandlungen nicht erfolgreich waren.
Quelle
Kratz T. The diagnosis and treatment of behavioral disorders in dementia. Dtsch Arztebl int 2017; 114:447–54 DOI: 10.3238/aztebl.2017.0447
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