Pflegezukunft: Wertgeschätzt, professionell und auf Augenhöhe
28.01.2016
Kristina Mohr
Wie kann es gelingen, trotz Pflegenotstand und anhaltender Negativschlagzeilen junge Leute und Quereinsteiger für den Pflegeberuf zu begeistern? Unter der Überschrift „Professionelle Pflege für eine gesunde Gesellschaft. Qualität, Leidenschaft, Engagement – Worauf kommt es künftig an?“ diskutierten am vergangenen Dienstag Vertreter aus Politik, Verbänden und Pflegeschülerschaft auf Einladung des Thieme Verlags.
Der Pflegenotstand gehört zu den drängendsten Themen im deutschen Gesundheitswesen. Um den steigenden Pflegebedarf auch in Zukunft abdecken zu können, braucht es qualifizierte Nachwuchskräfte, die ihren Beruf langfristig mit Leidenschaft ausüben.
Selbstbewusst und kompetent für sich selbst eintreten
Begeisterung für den Pflegeberuf setzt nach Ansicht von Gesundheitsstaatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU) voraus, dass die Pflege insgesamt noch selbstbewusster wird. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigter für Pflege hält dies für wichtig, damit die Öffentlichkeit beruflich Pflegende auf Augenhöhe mit den anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen wahrnimmt. Die Errichtung von Pflegekammern als wichtigstes Instrument der Selbstverwaltung ist für Laumann eine Chance, die Pflege deutlich aufzuwerten. Gleichzeitig sei er der Ansicht, dass Ärzte künftig mehr Aufgaben und Kompetenzen an die Pflege abgeben sollten. Denn die Pflege sei in vielen Bereichen bereits sehr gut qualifiziert und ihre Aufgabe vielfältig und komplex. Dieses Potenzial müsse man nutzen.
Vertrauen wieder herstellen
Marie-Luise Müller, seit 2010 Ehrenpräsidentin, zuvor Präsidentin des Deutschen Pflegerates e. V. und Vorsitzende des Kuratoriums Zentrum für Qualität in der Pflege, sprach sich ebenfalls für eine gelebte Wir-Kultur und interdisziplinäre Teamarbeit aus. Hier sieht sie insbesondere das Management-Team jeder Gesundheitseinrichtung in der Pflicht. Deren erste und allerwichtigste Verpflichtung sei es, das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen wieder herzustellen. Eine transparente, offene Unternehmens- und Fehlerkultur trage erheblich dazu bei, berufliche Leidenschaft, Freude und Identität zu fördern. Das wirksamste Rezept, dem Beruf Pflege eine langfristige Stabilisierung zu geben, liegt laut Müller jedoch in der Modernisierung der Bildung und Praxis: „Wer hier nicht investiert, gibt weiter Geld ins System, ohne positive Ergebnisse zu erzielen.“
Wissenstransfer benötigt
Den Fokus auf die Ausbildung legte auch Carsten Drude, Vorsitzender des Bundesverbandes Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e.V. Wenn es noch vor 20 Jahren ausgereicht hätte, die Pflege ausschließlich am Lebensalter oder an der Art der Einrichtung eines pflegebedürftigen Menschen zu orientieren, stimme dies mit den aktuellen Anforderungen längst nicht mehr überein. Eine generalistische Ausbildung sei deshalb richtig und sorge für einen Wissenstransfer auf allen Ebenen.
Motiviert – aber auf Dauer nicht durchhaltbar
Die angehenden Kranken- und Gesundheitspflegenden Debora Riegraf und Annika Ziegler gaben einen Einblick in das Selbstverständnis, mit dem junge Pflegekräfte ihren Beruf heute ausüben. Sie sehen sich nicht als Hilfskraft, sondern wollen mit Ärzten und anderen Gesundheitsberufen auf Augenhöhe arbeiten. Schließlich seien Therapie und Pflege eng miteinander verzahnt und einer käme ohne den anderen nicht aus. Allerdings sei der Beitrag zur Patientenversorgung, den die Pflege leistet, unter den momentanen Bedingungen nicht auf Dauer durchzuhalten. „Vieles, was wir zum Wohle der Patienten gerne tun würden und was auch von uns erwartet wird, bleibt auf der Strecke“, berichtete Ziegler. Sie wünscht sich, dass aktiv nach Möglichkeiten gesucht wird, der Pflege den – vor allem zeitlichen und personellen – Handlungsspielraum zu geben, den es braucht, um gute Arbeit zum Wohle der Patienten leisten zu können. Riegraf wünscht sich ebenfalls mehr Anerkennung, von Ärzten, Patienten und Angehörigen, aber auch von Klinikverwaltung, Politik und Gesellschaft. „Diese darf sich gern auch finanziell bemerkbar machen.“
Mehr zu Thema
Über Potenziale und Perspektiven wird seit Jahren in der Pflege viel gesprochen und diskutiert. Es gibt sie und viele behaupten sogar, der Pflege stehe eine große Zukunft bevor; andere Akteure halten sich mit ihren Prognosen eher bedeckt, halten an „alten Zöpfen“ fest, gerade wenn es darum geht, Aufgaben neu zu verteilen und das Gesundheitssystem endlich im Sinne des Patienten umzugestalten. Die Frage „Wer macht was?“ wird uns noch eine Weile beschäftigen. Die Lerneinheit „Die Zukunft der Pflege“ zeigt anhand von Beispielen, wie der klassische Pflegebegriff erweitert werden kann.
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