Inkontinenz bei geriatrischen Patienten
08.07.2016
Thomas Koch
Aktualisierte Leitlinie der DGG erhält S2e-Status.
Etwa 40 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland sind Schätzungen zufolge inkontinent. Die Ursachen für den unkontrollierten Harnabgang im Alter sind komplex, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin und Pflege kann die Behandlung verbessern. Die Arbeitsgruppe Inkontinenz der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat nun die aktualisierte Leitlinie „Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie“ veröffentlicht. Im Vorfeld sichtete die Arbeitsgruppe zahlreiche Studien und bestehende Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften. Besonders berücksichtigt wurden randomisierte, doppelblinde, plazebo-kontrollierte Studien. Aufgrund der systemischen Evidenz-Recherche erhielt die Leitlinie den S2e-Status von der zertifizierenden Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).
Geeignete Behandlungsmethoden für geriatrische Patienten
Bei der Sichtung der Forschungsliteratur berücksichtigte die Arbeitsgruppe, ob die darin beschriebenen Behandlungsmethoden für geriatrische Patienten geeignet sind. Aus Sicht des Leiters der Gruppe, Dr. Andreas Wiedemann, reiche es nicht aus, „ältere Patienten“ ausschließlich durch das Alter zu definieren. Viele Studienautoren würden Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, dazu zählen. „Ein geriatrischer Patient ist gekennzeichnet durch Vulnerabilität, Multi-Morbidität – er hat also mehrere Krankheiten – und er ist deutlich älter, nämlich über 80 Jahre“, erklärt Wiedemann. Operative Methoden wie die sakrale Neuromodulation („Blasen-Schrittmacher“) wären für geriatrische Patienten nicht geeignet.
Toilettentraining besonders wichtig
Neben einem Toilettenbesuch zu festen Zeiten sollten Betroffene regelmäßig gefragt werden, ob sie Harndrang verspüren, um die Aufmerksamkeit der Patienten auf die Blase zu lenken. Dieses Verhaltenstraining empfehle sich auch bei gebrechlichen älteren Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen. Für eine kontinuierliche Unterstützung der Patienten sind Pflegende auf die Unterstützung von Kollegen oder Angehörigen angewiesen.
Nebenwirkungen von Medikamenten
Die aktualisierte Leitlinie zur Inkontinenz setzt einen weiteren Schwerpunkt auf die Untersuchung von Nebenwirkungen verschiedener Medikamente. Bestimmte Antidepressiva etwa können die Blase blockieren und sollten daher nur nach sorgfältiger Abwägung verschrieben werden. Anticholinergika, die die kognitiven Fähigkeiten negativ beeinflussen, gehen mit einem erhöhten Sturzrisiko für hochbetagte Patienten einher.
Die AWMF bietet die Leitlinie „Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie“ zum Download an.
Quelle
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
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Eine professionelle pflegerische Beratung setzt spezifisches Fachwissen und berufliche Erfahrung voraus. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Beratungskompetenz der Pflegeperson, dazu gehören unter anderem Geduld, Respekt und Wertschätzung gegenüber den Betroffenen. Die Lerneinheit „Menschen mit Inkontinenz“ informiert Sie über das Anamnesegespräch und die Kontinenzberatung und zeigt Ihnen Pflegemaßnahmen bei Harninkontinenz auf.
