Infektionen
06.07.2015
Bakterien, die sich gleich mehreren Antibiotika widersetzen, sind in den letzten Jahren zu einem viel diskutierten Problem geworden. Ein Dossier in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ zeigt jedoch, dass Mediziner bei einer rechtzeitigen Diagnose und bei der Auswahl der richtigen Medikamente auch gegen multiresistente Erreger keinesfalls hilflos sind. Andererseits können auch scheinbar „banale“ Erreger, gegen die viele Antibiotika wirksam sind, zu einer tödlichen Gefahr werden.
Multiresistente Erreger haben sich in den letzten Jahren vor allem in Kliniken rasant verbreitet. Das European Center for Disease Control schätzt, dass die Keime jährlich für 25.000 Todesfälle verantwortlich sind. Doch die Infektiologen sind keineswegs machtlos, betont Professor Mathias W. Pletz, Direktor des Zentrums für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena. Für den häufigsten Problemkeim MRSA gäbe es inzwischen mehrere effektive Antibiotika – aber kein einfaches Rezept für alle Patienten. „Die Wahl muss den Schweregrad und den Ort der Infektion sowie die Begleiterkrankungen des Patienten berücksichtigen“, so Professor Pletz.
Enterokokkenlücke bei vielen Antibiotika
Größere Sorgen bereiten dem Experten derzeit gramnegative Keime. Zu diesen Bakterien, die sich bei der sogenannten Gram-Färbung unter dem Lichtmikroskop rot färben, gehören zunehmend Vancomycin-resistente Enterokokken. Diese Infektionen treten laut dem Experten immer häufiger auf, weil viele der heute eingesetzten Antibiotika eine Enterokokkenlücke aufweisen. Die Erreger seien vor allem auf Intensivstationen und für abwehrgeschwächte Patienten eine Bedrohung. „Mit Tigecyclin und Linezolid stehen uns derzeit nur zwei Mittel zur Verfügung, deren Wirksamkeit allerdings nicht sicher ist“, erklärt Professor Pletz.
Zum Problem geworden ist laut dem Infektiologen auch Clostridium difficile. Der Erreger breitet sich nach Antibiotika-Behandlungen im Darm aus und lässt sich dann durch die erneute Gabe von Antibiotika oft nicht mehr vertreiben. Bei einigen Patienten ist die Entfernung des Darms die letzte Rettung, andere sterben an einer schweren Darmentzündung.Zum Problem geworden ist laut dem Infektiologen auch Clostridium difficile. Der Erreger breitet sich nach Antibiotika-Behandlungen im Darm aus und lässt sich dann durch die erneute Gabe von Antibiotika oft nicht mehr vertreiben. Bei einigen Patienten ist die Entfernung des Darms die letzte Rettung, andere sterben an einer schweren Darmentzündung.
"Antibiotic Stewardship" soll gezielten Einsatz fördern
Professor Pletz begrüßt die behördlichen Maßnahmen der letzten Jahre. Dazu gehört die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie: Seit 2008 sind Infektionen mit multiresistenten Erregern meldepflichtig. Das 2011 geänderte Infektionsschutzgesetz verpflichtet die Kliniken zu Maßnahmen, die die Entdeckung und Behandlung von resistenten Keimen verbessern soll. Ein „Antibiotic Stewardship“ soll den sparsamen und gezielten Einsatz von Antibiotika fördern: Der Patient erhält zu Beginn ein oder mehrere Breitbandantibiotika, die möglichst viele Erreger erfassen. Wenn nach zwei bis drei Tagen die Testergebnisse aus dem Labor vorliegen, wird die Behandlung gezielt mit einem Antibiotikum fortgesetzt, das gegen den Erreger wirksam ist.
Gefahren gehen allerdings nicht nur von resistenten Keimen aus. Auch Infektionen durch Erreger, die gut auf Antibiotika ansprechen, können zu einem tödlichen Risiko werden, wenn sie sich im Blut vermehren. Eine solche Bakteriämie wird häufig von Staphylococcus aureus ausgelöst. Die meisten Antibiotika sind wirksam, doch die Infektion bleibt oft nicht auf das Blut beschränkt. Die Bakterien befallen Knochen, bilden Eiterherde im Körper und sie können schnell die Herzklappen zerstören. Weil diese Komplikationen oft zu spät entdeckt werden, sterben noch immer bis zu 30 Prozent der Patienten.
Professor Pletz empfiehlt daher eine systematische und umfassende Suche nach septischen Herden bei allen Patienten mit Bakteriämie. Dazu gehören Ultraschalluntersuchungen des Herzens. Wenn Infektionsherde entdeckt werden, müssen sie sofort saniert werden, eventuell durch eine Operation. Katheter und andere Fremdkörper, die von den Bakterien besiedelt werden könnten, müssen vorsorglich entfernt werden. Die Behandlungsstrategie bei einer Bakteriämie ist kompliziert. Professor Pletz rät daher dringend, einen Experten, den klinischen Infektiologen, in die Behandlung hinzubeziehen.
Quellen
- M. W. Pletz et al.: Multiresistente Erreger – Infektionsmanagement 2015. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (13); S. 975-981
- S. Weis et al.: Staphylococcusaureus-Bakteriämie – eine eigene Entität. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (13); S. 982-989
- M. W. Pletz: Wandel ist nicht immer Fortschritt. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (13); S. 974
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Lesen Sie ergänzend auch den Beitrag "Toleranzentwicklung und Resistenzbildung" in der Lerneinheit "Multiresistente Erreger".
