Die Pflege braucht Männer
22.07.2015
Kristina Mohr
Berufe, in denen in etwa gleich viele Männer und Frauen arbeiten, sind seltener von einem Fachkräfteengpass betroffen. In typischen Frauen- beziehungsweise Männerberufen ist die Lücke zwischen freien Stellen und arbeitssuchenden Fachkräften deutlich größer. Arbeitgeber sollten sich deshalb darum bemühen, Berufe für das jeweils andere Geschlecht attraktiver zu gestalten, um den Bewerberpool zu vergrößern.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt: In 96 von 619 Berufen reichte die Zahl der registrierten Arbeitslosen nicht aus, um alle offenen Stellen zu besetzen. Der größte Teil (64 Berufsgattungen) davon sind männertypische Jobs in den Bereichen Bauwesen, Mechanik, Naturwissenschaften und Informatik. Lediglich 15 Berufsgattungen mit Fachkräftemangel haben einen vergleichsweise ausgeglichenen Geschlechteranteil. Ein Beruf ist typisch für Männer oder Frauen, wenn über 70 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten einem Geschlecht angehören.
Größter Engpass bei den Frauen: Pflege
In insgesamt 17 Engpassberufen arbeiten vorwiegend Frauen, fast ausschließlich (15) im Berufsfeld Gesundheit, Soziales und Bildung. Dieses Ranking führt die Fachkrankenpflege an, wo auf 100 gemeldete offene Stellen nur 33 Arbeitslose kommen. Ähnlich sieht es in der Altenpflege aus.
In der Gesundheits- und Altenpflege arbeitet zudem statistisch betrachtet fast jeder Zweite in Teilzeit. „Schon wenn nur ein Teil von ihnen die Arbeitszeit aufstocken wollte und könnte, würde das die Engpässe deutlich reduzieren“, erklärt IW-Berufsforscher Sebastian Bußmann in einer Pressemitteilung. Vor allem auch Mütter müssten durch Betreuungsangebote an Kindertagesstätten und Schulen die Möglichkeit erhalten, mehr zu arbeiten.
Stereotypes Rollendenken überwinden
Um dem Fachkräftemangel langfristig entgegen zu wirken, müsste nach Auffassung der Forscher jedoch das stereotypische Rollendenken und die geschlechterspezifischen Muster bei der Berufswahl aufgebrochen werden. Unternehmen könnten Männer stärker in Frauenberufe einbinden und umgekehrt. Durch eine Zusammenarbeit mit Schulen eröffnen sich auch für Kliniken Möglichkeiten, um Klischees abzubauen, zum Beispiel im Rahmen von Berufsorientierungstagen, Praktika oder Betriebsbesichtigungen.
Quellen
- Institut der Deutschen Wirtschaft Köln e.V.. Fachkräfteengpässe in Unternehmen: Geschlechterunterschiede in Engpassberufen. Studie 2/2015.
- Institut der Deutschen Wirtschaft Köln e.V.. Fachkräfteengpässe: „Männerberufe“ sind häufiger betroffen. Pressemitteilung vom 13. Juli 2015.
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Ein Rollendenken findet sich nicht nur bei der Berufswahl, sondern auch im täglichen Alltag auf Station. Denn der Pflegeberuf zeichnet sich durch große persönliche Nähe aus und spiegelt in weiten Teilen die gesellschaftliche Vielfalt wider. Hierzu gehören auch geschlechtsspezifische Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Stereotype, die die Arbeit der Pflegenden beeinflussen. Wenn Sie dazu mehr erfahren wollen, lesen Sie die Lerneinheit „Gendersensible Pflege“oder absolvieren Sie die neue Pflichtfortbildung „Gender Bias“.
