Positive Einstellung beeinflusst Pflegebedarf
11.09.2015
Jeanette Siebert
Jeder wünscht sich im Alter, gesund und fit zu bleiben. Wie wir unsere Gesundheit beurteilen, kann sich einer aktuellen Studie zufolge erheblich auf unser Pflegerisiko auswirken. Denn neben Erkrankungen, Immobilität, negativem Gesundheitsverhalten und hohem Alter ist das eigene Gesundheitsempfinden ausschlaggebend für die Abhängigkeit von professioneller Pflege: Wer seinen Gesundheitszustand im Alter als gut oder sehr gut einstuft, hat ein vierfach geringeres Pflegerisiko. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie von Forschern des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der Berliner Charité.
Gesundheitsempfinden beeinflusst Pflegerisiko
Ein Pflegefall zu werden, ist demnach weniger abhängig von der aufgetretenen Krankheit als von persönlichen sozialen und psychischen Schutzfaktoren: Menschen mit Schlaganfall oder einem Krebsleiden haben laut Studie ein nur halb so großes Risiko, von professioneller Pflege abhängig zu werden, als Menschen, die ihre Gesundheit unabhängig von klinischen Diagnosen als schlecht einschätzen. „Unsere Studie zeigt: Der Umgang mit gesundheitlichen Krisen und Einschränkungen hat eine Bedeutung für das Risiko von Pflegebedürftigkeit“, so Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).
Gesund fühlen trotz Pflegebedürftigkeit
Die Forscher werteten für die Untersuchung Daten der Berliner Initiative Studie (BIS) aus, bei der rund 2.000 Berliner Seniorinnen und Seniorinnen wiederholt zu ihrem Gesundheitszustand befragt wurden. Im Rahmen einer zweiten Befragungswelle stellten die Forscher bei 19 Prozent der Teilnehmer (321 von 1.699 Personen) Pflegebedürftigkeit fest, überwiegend waren diese im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes in Pflegestufe 1 eingruppiert. Laut den Forschern war es in dieser Gruppe äußerst bemerkenswert, dass 28 Prozent ihr subjektives Gesundheitsempfinden mit „sehr gut“ und „gut“ beurteilten – 29 Prozent gaben „schlecht“ bis „sehr schlecht“ an. „ Gerade diese gesundheitlichen Ressourcen und individuellen Fähigkeiten gilt es, besser als bisher auszuschöpfen. Dazu sollte in der Pflege systematisch berücksichtigt werden, was der pflegebedürftige Mensch selbstständig machen kann und will. So können vorhandene individuelle Fertigkeiten genutzt, erhalten und vielleicht sogar verloren geglaubte Aspekte der Autonomie wiedergewonnen werden“, erklärt Suhr. Hierzu könne die professionelle Pflege wieder vermehrt auf das Pflegemodell nach Roper, Logan und Thierney zurückgreifen, um Faktoren, die das Gesundheitsempfinden des Patienten beeinflussen, mit in den Pflegeprozess aufzunehmen.
Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff
Individuelle Ressourcen, eigene Autonomie und Selbstständigkeit der Betroffenen in den Pflegeprozess einzubeziehen, dürfte vielerorts in den Pflegealltag integriert sein. Neu ist der Plan der Regierung, auch bei der Begutachtung von Pflegebedarf dem Grad der Selbstständigkeit einen zentralen Stellenwert zu geben: Mit der für 2017 geplanten Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollen so vermehrt die individuellen Ressourcen eruiert werden, sodass diese im Rahmen der zu erbringenden Pflegeleistungen optimal genutzt werden können. Vorgaben der Kranken- und Pflegekassen können so besser mit dem Pflegeprozess verzahnt werden, was die Selbstständigkeit des Patienten in den Mittelpunkt rückt.
Quellen
- Blüher S, Schnitzer S. Risikoprofile für Pflegebedarf. Kohortenstudie zu physischen und psychosozialen Risiko- und Ressourcenkonstellationen bei älteren Frauen und Männern.
- Zentrum für Qualität in der Pflege. Pflegerisiko einschätzen: Positive Haltung zur eigenen Gesundheit ist bedeutsam. Pressemitteilung vom 07.09.2015.
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