Viele Krebskranke sind mangelernährt
13.07.2015
Ernährung und Krebs – diese zwei Themen sind wohl enger verknüpft als noch vor einiger Zeit gedacht. Neben dem Risiko, dass eine unausgewogene Ernährung die Entstehung von Krebs fördern kann, stehen besonders die Mangelernährung von Tumorerkrankten und die Möglichkeiten der Ernährungsintervention in der Krebstherapie im Blickpunkt der Wissenschaft. Der Mediziner Dr. R. Imoberdorf und Ko-Autoren raten in der Fachzeitschrift „Aktuelle Ernährungsmedizin“ zu einer kohlenhydratarmen Kost, die vor allem Patienten im Frühstadium der Erkrankung nützen könne.
Vor 90 Jahren hat der Biochemiker Otto Warburg beobachtet, dass Krebszellen ihre Energie überwiegend aus Kohlenhydraten beziehen. Viele Krebsarten nutzen die Glukose nicht nur zur Energiegewinnung, sie stellen aus dem Zuckermolekül auch die für das Wachstum erforderlichen Fette her. Für Dr. Reinhard Imoberdorf, Chefarzt am Kantonsspital Winterthur in der Schweiz, stellt sich die Frage, ob eine kohlenhydratarme Kost das Krebswachstum vermindern kann.
Die Ergebnisse von Tierversuchen seien sehr kontrovers, schreibt der Experte. Bei Mäusen sei es unter einer sogenannten ketogenen Diät – sie senkt die Kohlenhydratzufuhr so weit, dass der Stoffwechsel zur Versorgung des Gehirns Ketonkörper produziert – anfangs zu einer Wachstumsverzögerung gekommen. Später hätten sich die Tumorzellen jedoch auf eine Energieversorgung durch Ketonkörper und Milchsäure umgestellt. Klinische Studien liegen laut Dr. Imoberdorf nicht vor. Ob alle Krebspatienten kohlenhydratarm und somit fett- und eiweißreich ernährt werden sollten, lasse sich zurzeit nicht abschließend beurteilen, schreibt der Mediziner. Er sieht sich allerdings durch eine im "Journal of the National Cancer Institut" veröffentlichte Studie bestätigt. Dort war es bei Darmkrebs-Patienten, die sich zuckerreich ernährten, häufiger zu Rückfällen und zum Tod gekommen.
Häufig Defizite in der Kalorien- und Eiweißzufuhr
Der klinische Alltag sieht anders aus. Viele Krebskranke sind mangelernährt. Ihr hohes Alter, die Anzahl der eingenommenen Medikamente und die Krebserkrankung steigern die Prävalenz einer Mangelernährung, schreibt Dr. Imoberdorf. Defizite gäbe es vor allem in der Kalorien- und Eiweißzufuhr. Am Kantonsspital Winterthur werden Krebspatienten sowohl stationär als auch ambulant ernährungstherapeutisch unterstützt. Wenn eine Zusatztrinknahrung oder eine Anreicherung der Speisen die Defizite nicht ausgleichen kann, werden die Patienten über eine Magensonde ernährt. In einigen Fällen erfolgt laut Dr. Imoberdorf die Ernährung mittels Speziallösungen über eine Infusion.
In einer Ernährungsstudie ist dem Team des Kantonspitals Winterthur gelungen, die Kalorien- und Eiweißzufuhr ambulanter Patienten mittels individualisierter Ernährungsinterventionen deutlich zu steigern. Einen Einfluss auf die körperliche Funktionstüchtigkeit oder die Lebensqualität konnten die Forscher jedoch nicht feststellen. Dr. Imoberdorf nimmt an, dass eine Ernährungsumstellung für Patienten mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung zu spät komme.
Am besten sei es, durch einen gesunden Ernährungs- und Lebensstil das Risiko für eine Krebserkrankung zu verhindern. Dass dies möglich ist, steht für den Internisten und Ernährungsexperten außer Zweifel. Vier Regeln sollte jeder einhalten: Neben einer Mittelmeerdiät mit viel Obst, Gemüse, Nüssen und Fisch und einem allenfalls mäßigen Alkoholkonsum gehören auch körperliche Aktivität und Nichtrauchen dazu. Dr. Imoberdorf beruft sich auf die Ergebnisse einer Langzeitstudie. Wer dort alle vier „Low-risk“-Regeln erfüllte, erkrankte zu 60 Prozent seltener an Krebs.
Quelle
R. Imoberdorf et al.: Krebs und Ernährung – ein Paradigmenwechsel. Aktuelle Ernährungsmedizin 2015; 40 (3); S.20143-146.
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