Sterbefasten: Ein selbstbestimmter Weg
12.08.2015
Wer nichts mehr isst, stirbt nach wenigen Wochen. Der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit ist für todkranke Menschen eine Möglichkeit, bewusst den eigenen Tod herbeizuführen. Medizinethiker fordern Ärzte in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ auf, diesen „passiven Suizid“ zu respektieren. Die Patienten bei diesem Weg zu begleiten, sei kein Verstoß gegen die Berufsordnung.
Das Sterbefasten ist häufiger als vielfach angenommen. Eine in der „Zeitschrift für Palliativmedizin“ veröffentlichte Umfrage von Professor Alfred Simon und Nina Luisa Hoekstra von der Universitätsmedizin Göttingen ergab, dass fast zwei Drittel der Hausärzte und Palliativmediziner in den letzten fünf Jahren mindestens einen Patienten beim Sterbefasten begleitet haben. Jeder fünfte praktizierte dies im Durchschnitt einmal pro Jahr. Unter Ärzten ist das Sterbefasten umstritten. Viele sehen darin eine berufsrechtlich verbotene Hilfe zur Selbsttötung, schreibt Professor Simon in der DMW.
Kein Verstoß gegen die Berufsethik
Der promovierte Philosoph hält dagegen, dass sich die ärztliche Betreuung beim Sterbefasten auf menschliche Zuwendung und das Lindern von Schmerzen, Atemnot und Mundtrockenheit beschränke. Zu dieser Basisversorgung sei jeder Arzt gemäß den Grundsätzen der Bundesärztekammer sogar verpflichtet. Professor Simon hat allerdings Verständnis dafür, dass einige Ärzte dies anders sehen. Wer moralische Bedenken gegenüber dem Sterbefasten habe, solle einen Kollegen bitten, die Begleitung zu übernehmen, rät der Medizinethiker.
„Sterbefasten sollte letzte Möglichkeit sein“
Wichtig für die Sterbebegleitung sei, dass sich der Arzt im Gespräch mit dem Patienten davon überzeugt, dass der Sterbewunsch wohlüberlegt ist und nicht auf sozialem Druck oder einer psychischen Erkrankung beruht. „Das Sterbefasten sollte für Patienten die letzte Möglichkeit sein, eine unerträgliche Leidenssituation zu beenden“, so Professor Simon.
Oft friedlicher, natürlicher Tod
Nach seiner Erfahrung ist der Hungertod keinesfalls qualvoll. Die meisten Augenzeugen würden ihn als überwiegend friedlich und nicht leidvoll beschreiben. Er komme dem Bild eines natürlich Sterbenden sehr nahe. Die Ärzte könnten deshalb auf dem Totenschein eine natürliche Todesursache angeben, etwa ein „Nierenversagen infolge eines freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit in der Absicht, den Tod früher herbeizuführen“. In diesem Fall müsse auch die Polizei nicht informiert werden, anders als beim „nicht natürlichen Tod“.
Quellen
- Simon A, Hoekstra NL. Sterbefasten: Hilfe im oder Hilfe zum Sterben? DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140(14); 1100–1102.
- Hoekstra NL, Strack M, Simon A. Bewertung des freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit durch palliativmedizinisch und hausärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte. Ergebnisse einer empirischen Umfrage. Zeitschrift für Palliativmedizin 2015; 16(02); 68-73.
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