Typ-1-Diabetes: Neue Klassifikation gefordert
30.09.2015
Kristina Mohr
Die Autoimmunprozesse, die zum Untergang der insulinproduzierenden Betazellen führen, beginnen nach neueren Erkenntnissen lange, bevor Symptome eines Typ-I-Diabetes auftreten. Wissenschaftler der Forschergruppe Diabetes an der Technischen Universität München (JDRF) fordern daher, die bisherige Klassifikation und den Diagnosezeitpunkt der Krankheit zu verändern, um frühzeitig reagieren zu können.
Gemeinsam mit internationalen Kollegen entwickelten die Forscher ein Drei-Stadien-Modell, mit dem sich ein Autoimmundiabetes frühzeitig diagnostizieren lässt. Richard Insel, Wissenschaftlicher Direktor und Studienleiter der JDRF, erklärte: „Wir wissen, dass Typ-1-Diabetes lange vor dem Zeitpunkt entsteht, wenn die Zuführung von Insulin unabdingbar wird. Die beste Zeit, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten, dürfte die Zeit vor dem Verlust der Insulin produzierenden Betazellen im Pankreas sein.“
Drei-Phasen-Modell zur Prävention
Forschungen und Screenings von Risikopersonen für Typ-1-Diabetes in den letzten 10 Jahren hätten dafür gesorgt, dass Wissenschaftler heute viel mehr über die Entstehung und die frühen Stadien wissen. Auf Basis dieser Erkenntnisse entstand das neue diagnostische Drei-Phasen-Modell. „Wir glauben, dass dieser neue Ansatz uns dabei helfen wird, das Design klinischer Studien zur Prävention zu optimieren“, erläuterte Insel. Dies könne die Entwicklung von Medikamenten und letztendlich die Prävention von Typ-1-Diabetes beschleunigen.
Test weist Autoantikörper nach
Auskunft darüber, ob jemand an einem Prädiabetes erkrankt ist, gibt ein Autoantikörpertest. Im 1.Vorstadium weise er zwei oder mehr Inselautoantiköper nach, die für Typ-1-Diabetes spezifisch seien. Wenn Autoantikörper bei jüngeren Patienten auftreten, mehrere von ihnen vorliegen oder diese in einer höheren Konzentration vorkommen, schreite der Autoimmunprozess wahrscheinlich schneller voran. In dieser Prädiabetes-Phase habe der Patient Blutzuckerwerte im Normbereich.
Üblich: Diagnose erst im 3. Stadium
In Stadium 2 treten eine Glukoseintoleranz oder eine Störung des Glukosestoffwechsels auf, da die insulinbildenden Betazellen zunehmend zerstört sind. Erst die im 3. Stadium typischen Symptome wie übermäßiger Durst, häufiges Wasserlassen und starke Gewichtsabnahme oder Müdigkeit würden jedoch heute im klinischen Alltag zur Diagnose führen. Jeder Dritte Typ-1-Diabetiker erhält laut den Forschern die Diagnose sogar erst, wenn er als Notfall mit einer Ketoazidose ins Krankenhaus kommt.
Umso eher die Diagnose, desto besser
Das von der internationalen Forschergruppe vorgeschlagenen Drei-Phasen-Modell könnte Monate bis Jahre vor Auftreten der ersten Symptome die Autoimmunerkrankung feststellen. Studien hätten gezeigt: Patienten mit nachgewiesenem Prädiabetes, die unter medizinischer Kontrolle standen, hatten nach der Diagnose bessere Werte, entgleisten seltener und ließen sich schneller einstellen. Auch benötigten sie in den ersten zwölf Monaten der Therapie geringere Mengen an Insulin. „Diese Vorteile werden in Zukunft noch um präventive Behandlungsoptionen ergänzt werden“, so Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum in München. Ihre Forschergruppe prüfe derzeit in mehreren Studien die Effektivität einer Schutzimpfung mit Insulin.
Quelle
Helmholtz Zentrum München. Typ 1 Diabetes entwickelt sich in verschiedenen Stadien. Pressemitteilung vom 25. September 2015.
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Diabetes mellitus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels, deren Leitbefund die chronische Blutzuckererhöhung ist. Ursache für den erhöhten Blutzucker kann entweder eine gestörte Insulinsekretion, eine gestörte Insulinwirkung oder das Zusammenspiel beider Faktoren sein (Praxisleitlinien der DDG 2010). Lesen Sie mehr im Beitrag „Formen und Ursachen von Diabetes mellitus“.
