Einheitlicher Tarifvertrag für die Pflege?
27.08.2014
Anna Prager
In der Diskussion über die Pläne für einen einheitlichen Tarifvertrag für die Pflegebranche gehen die Meinungen stark auseinander: Befürworter sehen darin eine große Chance, die Attraktivität des Pflegeberufes langfristig zu verbessern. Der Arbeitgeberverband Pflege befürchtet durch die Kostenexplosion Risiken für private Anbieter.
Als „maximale Katastrophe“ betrachtet Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), einem Beitrag des Deutschlandfunks zufolge die Pläne für einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag für die Pflege, die insbesondere die Bundesländer Brandenburg und Niedersachsen vorantreiben.
Die Branche sei derart heterogen: ambulant – stationär, Stadt – Land, große Unternehmen – kleine Unternehmen, gesunde Unternehmen – kranke Unternehmen. All das in einen einheitlichen, allgemein verbindlichen Tarifvertrag zu packen, sei absolut unverantwortlich.
Drohender Kostenschub birgt Risiken
Der Präsident des AGVP sieht vor allem private Anbieter in Gefahr; denn ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag werde sich an den vergleichsweise hohen Standards der öffentlichen Träger orientieren.
Ohnehin kommen laut Greiner auf die Anbieter in Zukunft höhere Kosten zu: Durch den höheren allgemeinen Mindestlohn (der sich vor allem bei Beschäftigten in Küche, Reinigung und Wäscherei auswirkt) sowie durch die geplante Anhebung des Branchenmindestlohns. Rund eine Milliarde Euro Mehrkosten sieht AGVP-Präsident Greiner auf die Träger zukommen, und prognostiziert eine Kostenexplosion, der viele Anbieter nicht standhalten werden.
Dem vielgenannten Argument, die Attraktivität des Pflegeberufs durch einen Tarifvertrag steigern zu wollen, stimmt er nicht zu. Schließlich steuere die Branche mit 25.000 neuen Auszubildenden bereits auf einen neuen Rekord zu.
Langfristige Erfolge verlangen nach einheitlichen Regelungen
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di widerspricht den Einschätzungen des AGVP: Die Arbeitgeber müssten endlich mit deutlich mehr Personal und besserer Entlohnung die Attraktivität der Altenpflege nachhaltig verbessern, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Gesundbeten helfe nicht weiter.
Der Deutsche Pflegerat (DPR) weist die Position des AGVP ebenfalls entschieden zurück. Er fordert, die professionellen Leistungen von Berufsangehörigen unabhängig von Region und Arbeitgeber anständig zu vergüten. Dies sei nur durch bundesweit einheitliche Regelungen möglich. „Nur durch einen Tarifvertrag und damit eine Verbesserung der Entlohnung von beruflich Pflegenden kann die pflegerische Versorgung in Deutschland langfristig gesichert werden – denn sie macht den Pflegeberuf für junge Menschen attraktiv und für Berufsangehörige auskömmlich“, so Andreas Westerfellhaus, Präsident des DPR.
Auch in Regierungskreisen stößt der Widerstand gegen einen Tarifvertrag auf Kritik. Karl-Josef Laumann, Pflege-Bevollmächtigter der Bundesregierung, äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: „Wer will, dass die Pflegebranche auf Dauer hochqualifizierte Mitarbeiter findet, um eine anspruchsvolle und für unsere Gesellschaft unverzichtbare Arbeit zu leisten, für den sollte der fair verhandelte Lohn - also: der Tarifvertrag - eine Selbstverständlichkeit sein."