Bildungsclusterstudie: Pflegende und Mediziner lernen zusammen
24.09.2015
Jeanette Siebert
Die Anforderungen für medizinisches und pflegerisches Fachpersonal steigen stetig und nehmen an Vielfältigkeit zu. Inzwischen scheint es sinnvoll, die Professionen der Medizin und der professionellen Pflege zu vernetzen. Wissenschaftler und Fachpraktiker der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald starteten den Praxisversuch: Medizin- und Pflegestudierende lernten in gemeinsamen Vorlesungen.
Je fünf Pflege- und Medizinstudierende nahmen an dem innovativen Lehrkonzept der Universität Greifswald teil: Sie besuchten über zwei Semester hinweg gemeinsam theoretische und praktisch orientierte Lehrveranstaltungen. Die Projektleiterin Adina Dreier der Universität Greifswald ist überzeugt: „Die positiven Evaluationsergebnisse zeigen, dass interprofessionelles Lernen von Medizin und Pflege machbar ist, und dass es für beide Studierendengruppen sinnvoll und gewinnbringend ist.“
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln
Die einzelnen Lernbereiche waren bisher streng getrennt: Die Palliativstation stand lediglich den Pflegeauszubildenden als Lernort offen. Dies änderte sich mit der Implementierung des interprofessionellen Lernens: Auch Studierende der Medizin konnten nun Einblicke in die Palliativversorgung gewinnen. Umgekehrt war es angehenden Pflegenden möglich, das Lehr- und Lernzentrum der Universität Greifswald für die Ausbildung zu nutzen.
Imagewandel für die Pflege
Den Studierenden der Pflege eröffnen sich mit dem neuen Lernkonzept viele Möglichkeiten. Bereits die Grundausbildung qualifiziere sie so für Tätigkeiten im Schnittstellenmanagement oder als Primary Nurse. Diese Berufsaussichten könnten den Pflegeberuf für die Gesellschaft attraktiver machen, so die Strategiegruppe der Universität Greifswald.
Höhere Patientensicherheit und Qualität
Durch eine bessere Verzahnung von Medizin und Pflege könnten auch Arbeitsabläufe optimiert werden: Patienten erhielten so schneller Zugang zur richtigen medizinischen oder pflegerischen Versorgung. Dies könne sich wiederum positiv auf Liegedauer und Kosteneffizienz auswirken.
Vorbereitungen nötig
Für eine reibungslose interprofessionelle Zusammenarbeit müssen zunächst noch die Weichen gestellt werden: In dem Strategiepapier zur Bildungsclusterstudie empfehlen die Spezialisten, zunächst das Curriculum der Studiengänge zu überdenken; vor allem das Medizinstudium ließe momentan nur wenig Spielraum zu. Auch eine flächendeckende akademische Pflegeausbildung sei nötig, um Verzahnungen mit der Profession der Medizin zu ermöglichen.
Sorgen und Ängste
Ein Zusammenwachsen der beiden Professionen ist mit einem Umdenken im Rollenverständnis verbunden: Kritiker äußern die Angst vor dem Statusverlust der jeweiligen Berufsgruppe und die Sorge vor der Verwässerung des pflegerischen oder medizinischen Aufgabengebiets.
An dieser Stelle sei noch Arbeit notwendig: Rechtliche Rahmenbedingungen für die Durchführung bisheriger ärztlicher Tätigkeiten sowie die Personalstruktur und der Stellenschlüssel müssten an die Veränderung angepasst werden.
Quelle
- Universität Greifswald. Gemeinsames Lernen von Medizin und Pflege in Mecklenburg-Vorpommern: Strategiepapier zur Bildungsclusterstudie Greifswald/Neubrandenburg. September 2015
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