Unzureichende Patientenbeteiligung
27.06.2014
Stefanie Zink
Nach einer repräsentativen Befragung des regelmäßig erhobenen Gesundheitsmonitors der Bertelsmann Stiftung und BARMER GEK gaben 58 Prozent aller Teilnehmer an, noch nie partizipativ von ihrem Arzt in eine Therapieoption einbezogen worden zu sein.
Die Studienautoren Dr. Bernhard Braun und Dr. Gerd Marstedt bezogen in ihre Analyse Daten von 12.800 Patienten ein. Der Untersuchungszeitraum betrug 12 Jahre.
Während durchschnittlich 55 Prozent der Befragten sich eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Mediziner wünschen, geben etwa 23 Prozent an, dass der Arzt alleine entscheiden sollte. 18 Prozent sprechen sich für eine autonome Entscheidung aus. Besonders alarmierend ist, dass die Gruppe der chronisch Kranken mit 50 Prozent angab, „noch nie" in eine partizipative Entscheidungsfindung einbezogen worden zu sein.
Die gemeinsame Entscheidungsfindung gilt als wichtiger Ansatz, um Patienten über Vorteile und Risiken von Behandlungen aufzuklären und ihnen Alternativen aufzuzeigen. Leitlinien und evidenzbasierte Studien sollen die Ärzte in ihrer Beratung unterstützen.
Die Studienautoren untersuchten die gewünschten Möglichkeiten der Patientenbeteiligung. Dabei fanden sie heraus, dass die ausführliche Information des Arztes über die Vor-und Nachteile der Therapien sowie das Eingehen auf Patientenfragen für über die Hälfte der Befragten wichtig war. An schriftlichen Informationen waren sie hingegen weniger interessiert.
Einflüsse auf Patientenwünsche
Dr. Braun und Dr. Marstedt untersuchten auch Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Gesundheitszustand, chronische Krankheit und Zahl der Arztbesuche, die Patientenpräferenzen beeinflussen. Hier zeigte sich, dass ältere Menschen und Menschen mit niedrigerer Schulbildung eher dazu neigen, dem Arzt die Entscheidung zu überlassen, während Menschen mit chronischen Erkrankungen und Frauen eher einen autonomeren Entscheidungsstil wünschen. Menschen mit weniger Arztkontakten waren an partzipativer Entscheidung weniger interessiert.
Erfahrungen mit partizipativer Entscheidungsfindung
Knapp drei viertel der Befragten hatten innerhalb der letzten drei Jahre bei einem Arztbesuch keine Erfahrung der gemeinsamen Entscheidungsfindung gemacht. Ein Viertel der Befragten antwortete mit „Ich weiß nicht“. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass der überwiegende Anteil der Patienten meint, es gäbe keine Behandlungsalternativen, oder es gäbe nur die vorgeschlagene Behandlung.
Innerhalb des Untersuchungszeitraums ergaben sich nur unwesentliche Unterschiede in den Antworten. Diese Stagnation, so folgern die Autoren, deutet darauf hin, dass das Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung vielen Ärzten und Patienten weder bekannt noch bewusst ist. Diesem kann, nach ihrer Einschätzung, nur langfristig durch einen Perspektivenwechsel im Gesundheitswesen, verbunden mit einem Bündel an Maßnahmen, begegnet werden.
Quelle
Braun B, Marstedt G. Partizipative Entscheidungsfindung beim Arzt: Anspruch und Wirklichkeit. gesundheitsmonitor 2/2014: 1–11
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Auch in der Pflege ist die partizipative Entscheidungsfindung ein wichtiges Thema. Lesen Sie dazu den Artikel „Wie können Patienten mitentscheiden?“ in der Lerneinheit „Pflegeprophylaxen auf dem Prüfstand“.