Kein Fall fürs Strafrecht: Beihilfe zum Suizid
21.08.2015
Kristina Mohr
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) nimmt vor dem Hintergrund der derzeit im Deutschen Bundestag geführten Sterbehilfe-Debatte zu vier Anfang Juli vorgelegten Gesetzesentwürfen Stellung. Laut DGHO sei es jedoch nicht notwendig, das aktuell geltende Strafrecht bezüglich einer ärztlich assistierten Selbsttötung zu ändern.
In den vier im Bundestag diskutierten Entwürfen geht es ausdrücklich nicht um die passive, indirekte oder aktive Sterbehilfe. Stattdessen beschäftigen sie sich mit der ärztlich assistierten Selbsttötung, bei der ein sterbewilliger Patient die zum Tode führende Handlung selbst ausführt. Wenn die Entwürfe auch im Kern auf unterschiedliche Aspekte fokussieren, gibt es Gemeinsamkeiten: Zu diesen gehört die Absicht, eine „geschäftsmäßige“ Hilfe zum assistierten Suizid, zum Beispiel durch Sterbehilfevereine, unter Strafe zu stellen.
Ärztliche Hilfe nicht kriminalisieren
Die DGHO lehnt ebenfalls jegliche profitorientierte Sterbehilfe ab. Es sei allerdings problematisch, dass die ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung gegebenenfalls unter die Bedrohung des Strafrechts gerät, so Prof. Diana Lüftner, Vorsitzende der DGHO. „Mit der Strafbarkeit der assistierten Selbsttötung würde die gerade in den letzten Jahren durch den Bundesgesetzgeber und die Gerichte erreichte weitgehende Entkriminalisierung des sensiblen Themas Sterbehilfe konterkariert.“ Die Beihilfe zum Suizid ist im deutschen Strafrecht seit 1871 nicht strafbar, wie auch eine Selbsttötung nicht sanktioniert wird. Dahingegen verbietet das ärztliche Berufsrecht in 10 von 17 Kammerbezirken, Patienten bei der Selbsttötung zu assistieren.
Umfrage: Patienten bitten selten um Assistenz
Die Fachgesellschaft hatte im Vorfeld der Debatte ihre Mitglieder befragt: Es zeigte sich, dass die Bitte um Hilfe zum Suizid auch bei onkologisch tätigen Ärzten eine seltene und sehr individuell ausgeprägte Konfliktsituation ist. Fast die Hälfte der befragten Ärzte war noch nie mit dieser Bitte konfrontiert. Bei denjenigen, die angesprochen wurden, waren es bei den meisten weniger als 10 Fälle im ganzen Berufsleben.
Freiraum, um nach dem Gewissen zu entscheiden
Die DGHO spricht sich daher für eine gesellschaftspolitische Position der Toleranz gegenüber den freiverantwortlichen Sterbewünschen einzelner unheilbar kranker Patienten und den Gewissensentscheidungen ihrer Ärzte aus. Rechtssicherheit, das heißt nicht nur im strafrechtlichen, sondern auch im berufsrechtlichen Bereich, seien zusammen mit strikten Sorgfältigkeitskriterien entscheidend. „Nach derzeitiger Rechtslage ist die Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar. Gerade diese Situation lässt Raum für Gewissensentscheidungen in individuell ausgeprägten Notsituationen", betont Prof. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO. „Wenn sich Patienten selbstverantwortlich und in vollem Bewusstsein ihrer Situation zu einer Selbsttötung entscheiden, dann dürfen wir sie als Ärzte nicht allein lassen", so Freund weiter.
Im Einzelnen fordert die DGHO für den ärztlichen Bereich:
- eine Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung und einen Ausbau der Hospize
- mehr Hilfestellungen für Ärzte beim Umgang mit Extremsituationen am Lebensende
- keine Veränderung des geltenden Strafrechts in Bezug auf die ärztliche Tätigkeit
- keine Verpflichtung für Ärzte zur Hilfestellung bei der Selbsttötung
- Anpassung des ärztlichen Berufsrecht an das geltende Strafrecht
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe: Ärztlich assistierte Selbsttötung ist kein Fall für das Strafrecht. Pressemitteilung vom 20. August 2015.
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Stellungnahme des Vorstandes der DGHO zu den im Deutschen Bundestag vorgelegten Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe. 20. August 2015.
Mehr zum Thema
Zu den unterschiedlichen „Formen der Sterbehilfe“ lesen Sie mehr im gleichnamigen Beitrag, den Sie in der Lerneinheit „Betreuung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung“ finden.
