DRG – Rationierung oder Überversorgung?
19.09.2014
Stefanie Zink
Laut einer aktuellen Studie lassen sich in Kliniken Anzeichen für eine Rationierung und Überversorgung feststellen. Am häufigsten beschreiben die Teilnehmer jedoch einen Mangel an persönlicher Zuwendung und fehlende Zeitressourcen für die Pflege.
Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Umgang mit Mittelknappheit im Krankenhaus: Rationierung und Überversorgung medizinischer Leistungen im Krankenhaus?“ des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen von Prof. Dr. Jürgen Wasem. Von Januar 2013 bis Juni 2014 führten die Wissenschaftler eine empirische Studie durch: Dazu befragte das Forscherteam um Dr. Natalie Pomorin und Antonius Reifferscheid Chefärzte, Pflegedienstleitungen bzw. -direktoren und Geschäftsführungen in zwölf qualitativen Interviews. Anschließend versendeten sie 5.000 Fragebögen an die drei genannten Berufsgruppen in zufällig ausgewählten Fachabteilungen. Mehr als 43 Prozent der angeschriebenen Personen sendeten die Fragebögen zurück.
Wirtschaftlicher Druck
Zunächst wollten die Forscher erfahren, wie die Leitungspersonen den wirtschaftlichen Druck im Krankenhaus wahrnehmen: Hier zeigte sich, dass alle drei Berufsgruppen diesen als „stark“ (über 60 Prozent der Pflegeleitungen und Geschäftsführungen und etwa 45 Prozent der Chefärzte) oder „deutlich“ (knapp 30 Prozent Pflegeleitungen und Geschäftsführer und 35 Prozent Ärzte) empfanden. 72 Prozent der befragten Pflegedienstleitungen berichteten von häufigen Entscheidungskonflikten.
Personalsituation und technische Ausstattung
37 Prozent der Pflegedirektoren und 38 Prozent der Chefärzte beurteilten die pflegerische Besetzung als „schlecht“. Nur 14 Prozent der Geschäftsführer waren derselben Ansicht. Bei den Ärzten hingegen waren 68 Prozent der Pflegedienstleiter und 58 Prozent der Geschäftsführer der Meinung, dass die Ärztebesetzung „gut“ bis „sehr gut“ sei. Die Chefärzte selbst beurteilten zu 25 Prozent, dass ihre Personalbesetzung „schlecht“ sei, während weitere 25 Prozent von einer „guten“ bis „sehr guten“ Ausstattung ausgingen.
Hinsichtlich der technischen Ausstattung waren 54 bis 59 Prozent der Ansicht, dass diese „gut“ bis „sehr gut“ sei.
Patientenversorgung und Pflegeleistungen
Der überwiegende Anteil der Berufsgruppen (82 Prozent Pflegedirektoren, 70 Prozent Chefärzte und 66 Prozent Geschäftsführungen) glaubt, dass die knappen Ressourcen sich negativ auf die Patientenversorgung auswirken. Am meisten beklagten sie den Mangel an persönlicher Zuwendung (87 Prozent Pflegedienstleitungen, 81 Prozent Geschäftsführungen und Chefärzte) sowie Defiziten in der Pflege (82 Prozent Pflegeleitungen, 67 Prozent Chefärzte und 51 Prozent Geschäftsführer). 45 Prozent der Pflegedirektoren, 40 Prozent der Geschäftsführer und etwa 35 Prozent der Chefärzte glauben, dass „selten“ Zeit für persönliche Zuwendung vorhanden ist. Nur acht Prozent der Pflegeleitungen, 16 Prozent der Geschäftsleitungen, jedoch 21 Prozent der Chefärzte glauben, dass Zeit für persönliche Zuwendung „oft“ zur Verfügung stehe.
Ein Fünftel der Pflegedienstleitungen sind der Ansicht, dass sämtliche erforderliche Pflegeleistungen immer durchgeführt werden können. 70 Prozent sehen dies hingegen „eher nicht“, neun Prozent „überhaupt nicht“.
Medizinische Leistungen
Hier zeigt sich das Problem der Rationierungen, wenn etwa ein Fünftel der Chefärzte angibt, mindestens einmal monatlich „nützliche Leistungen“ durch „günstigere“ oder „weniger effektive“ Maßnahmen ersetzen zu müssen. Knapp die Hälfte der befragten Chefärzte äußerte, dass sie Patienten im letzten halben Jahr eine medizinisch nützliche Leistung vorenthielten. Etwa ein Drittel der Geschäftsführungen und 16 Prozent der Pflegedirektoren gehen davon aus, dass es „nie“ zu einer Vorenthaltung von medizinischen Maßnahmen kommt. Der überwiegende Teil der Befragten meint, dass es „selten“ bzw. „manchmal“ zur Rationierung von medizinischen Leistungen kommt.
Überversorgung
Eine Überversorgung durch nicht erforderliche medizinische Eingriffe wird von 39 Prozent der Chefärzte angenommen. Diese ist jedoch – anders als bei der Rationierung – nicht in allen Fachabteilungen gleichmäßig verteilt. So sind 25 Prozent der befragten Chefärzte der Meinung, dass im Bereich der Kardiologie und 20 Prozent im Bereich der Unfallchirurgie bzw. Orthopädie aus wirtschaftlichen Gründen nicht erforderliche Leistungen erfolgen. Bei der Inneren Medizin bzw. Gynäkologie sind es nur zehn bzw. acht Prozent.
Reformen anpacken
Die Autoren der Studie raten, dringend Reformen anzugehen, da sie im kommenden Jahr von einer weiteren Verschlechterung der finanziellen Situation der Kliniken ausgehen. Insbesondere sehen sie Regelungsbedarf in der Frage der Finanzierung der Investitionskosten, der Transparenz der Personalkosten im DRG-System und in einer Reform der Pflege-Personalregelung. Schließlich dürfe auch das Thema der Priorisierung von Leistungen nicht ausgeklammert werden, um eine gerechtere Leistungsverteilung zu erreichen.
Quelle
Executive Summary: Reifferscheid A, Pomorin N, Wasem J. Umgang mit Mittelknappheit im Krankenhaus: Rationierung und Überversorgung medizinischer Leistungen im Krankenhaus? September 2014
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