Suizidbeihilfe – strafbar oder nicht?
04.11.2015
Kristina Mohr
Der Deutsche Bundestag stimmt am kommenden Freitag über 4 Gesetzesentwürfe ab, die die Suizidbeihilfe neu regeln sollen. Die Vertreter der beiden liberalen Gruppen, die eine Neukriminalisierung der Suizidbeihilfe ablehnen, habe in einer öffentlichen Stellungnahme ihre gegenseitige Unterstützung bekannt gegeben.
„Zum Schutz unserer Ärzte: Nein zu einer Neukriminalisierung der Suizidhilfe“ lautet der Apell der Gruppe um Peter Hintze (CDU), Dagmar Wöhrl (CSU) sowie Carola Reimann und Karl Lauterbach (beide SPD) und der Gruppe um Renate Künast, Kai Gehring (beide Grüne) und Petra Sitte (Linke). „Der Wunsch eines qualvoll Sterbenden nach Suizidassistenz wird durch unsere Gesetzentwürfe abgesichert“, betonen sie in ihrer Stellungnahme. Diesem Ziel würde auch eine Beibehaltung des geltenden Strafrechts dienen, wie sie der Gesetzesentwurf von Hintze/Lauterbach/Reimann/Wöhrl als einziger vorsieht.
„Geschäftsmäßigkeit" unterstellt Wiederholungsabsicht
Der aussichtsreichste Entwurf, vorgelegt von Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD), sieht die „Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vor. Er wird unter anderem von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery sowie über 200 Abgeordneten unterstützt. Nach dem Gesetzesentwurf könnten Personen, die „in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld bestraft werden“. Die „geschäftsmäßige“ Suizidhilfe bezieht sich auf die Wiederholungsabsicht, unabhängig davon, ob ein Gewinn erzielt wird. Damit richtet sich der Gesetzentwurf gegen Vereine wie „Sterbehilfe Deutschland“, „Dignitas“ in der Schweiz oder den Berliner Urologen Uwe-Christian Arnold, der sich offen zu seiner Tätigkeit als Sterbehelfer bekennt. Ärzte, die einem Patienten beim Suizid assistieren, sollen nur in seltenen, individuell zu beurteilenden Ausnahmefällen straffrei bleiben.
Härte eines möglichen Verbots stünde in keinem Verhältnis
Die Vertreter der beiden liberalen Gruppen um Hintze und Künast befürchten, dass Ärzte dadurch jedoch de facto der ernsthaften Gefahr staatsanwaltlicher Ermittlungen ausgesetzt würden. Vor allem Palliativmediziner und Onkologen, die viele Menschen in der letzten Lebensphase begleiten, könnte sehr schnell eine Wiederholungsabsicht unterstellt werden. Sie argumentieren weiter, dass die gravierenden Folgen einer Neubestrafung der Suizidhilfe für Ärzte und Pflegende in keinem Verhältnis stünden zur tatsächlichen Bedeutung von Sterbehilfevereinen, die weiterhin gering sei. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durchführte. Diese ergab, dass Patienten nur selten um Mithilfe bei einem Suizid bitten.
Verantwortungsvolle Begleitung stärken
Die große Mehrheit schwer kranker Menschen entscheide sich bewusst gegen Sterbehilfevereine und für eine Begleitung durch Ärzte, Pflegende und Angehörige argumentieren die liberalen Vertreter weiter. Diese durch möglicherweise drohende strafrechtliche Verfahren zu verunsichern, dürfe nicht das Ziel sein: „Nicht Staatsanwälte, sondern verantwortungsvolle Ärzte und Pfleger gehören ans Krankenbett.“
Quellen
- Hintze/Wöhrl/Reimann/Lauterbach/Lischka und Künast/Sitte/Gehring. Zum Schutz unserer Ärzte: Nein zu einer Neukriminalisierung der Suizidhilfe. Pressemitteilung vom 3. November 2015.
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Stellungnahme des Vorstands der DGHO zu den im Deutschen Bundestag vorgelegten Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe. August 2015.
Mehr zum Thema
Zu den unterschiedlichen „Formen der Sterbehilfe“ lesen Sie mehr im gleichnamigen Beitrag, den Sie in der Lerneinheit „Betreuung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung“ finden.
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