Wenn Heilkräuter die Leber angreifen
01.07.2015
Auch wenn sie aus der Natur stammen, ist die Einnahme von Heilkräutern und Nahrungsergänzungsmitteln nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen. In manchen Fällen sind Leberschäden die Folge, die eine Transplantation erforderlich machen oder sogar mit dem Tod enden können.
Die Beliebtheit von pflanzlichen Mitteln und Nahrungsergänzungsmitteln ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. In Deutschland greift mittlerweile jeder Vierte hin und wieder auf Heilmittel aus der Natur zurück. Viele beziehen sie ohne Rezept und ohne sicheren Herkunftsnachweis aus dem Internet. Privatdozent Dr. med. Felix Stickel von der Klinik Beau-Site in Bern betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Nicht nur, weil der gesundheitliche Nutzen der pflanzlichen Präparate und Nahrungsergänzungsmittel „nicht oder kaum belegt“ sei, wie Dr. Stickel in der „DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ schreibt. Auch die Risiken würden unterschätzt. Im Zentrum stehen dabei Leberschäden, die in den letzten Jahren mehrfach zu Warnhinweisen der Arzneimittelagenturen und zu Verboten geführt haben.
Leberschäden durch pflanzliche Schlankheitsmittel
Bereits in den 1990er-Jahren wurden Schlankheitsmittel aus Gamander, einer Pflanzengattung in der Familie der Lippenblütler, vom Markt genommen, nachdem es in Frankreich zu einer Serie akuter, chronischer und teilweise schwerer Leberschäden gekommen war, berichtet Dr. Stickel. Verboten sind mittlerweile auch Schöllkraut-Extrakte, die zur Behandlung von Verdauungsbeschwerden angeboten wurden. Der Vigisearch Database der Weltgesundheitsbehörde in Uppsala waren laut Dr. Stickel mehr als hundert Fälle von akuten Leberschäden gemeldet worden. Extrakte aus Rauschpfeffer verloren 2003 ihre Zulassung, nachdem es zu Berichten über schwere Leberschäden gekommen war. Selbst grüner Tee, der auf der ganzen Welt konsumiert wird und als sehr bekömmlich gilt, wurde mit Leberschäden in Verbindung gebracht. Die US Pharmacopeia, das offizielle Arzneibuch der Vereinigten Staaten von Amerika, bewertete den Zusammenhang von Leberschäden mit der Einnahme von Grüntee-Extrakten als „möglich“ oder „wahrscheinlich“.
Einnahme von Präparaten werden verschwiegen
Dr. Stickel vermutet, dass viele Fälle von Leberschäden durch pflanzliche Präparate und Nahrungsergänzungsmittel unentdeckt bleiben, da die erkrankten Patienten den Ärzten die Einnahme verschweigen. Labortests zum Nachweis der Präparate gebe es nicht, da die Mittel oft eine Vielzahl von Substanzen enthalten. Dr. Stickel fordert die Ärzte auf, bei Leberschäden ungeklärter Ursache gezielt nach der Einnahme solcher Mittel zu fragen.
Quelle
F. Stickel: Leberschäden durch pflanzliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (12); S. 908-911
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