Diagnostik des Hirntods
08.05.2015
Anna Prager
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (BÄK) hat neue Richtlinien für die Diagnose des Hirntods erarbeitet. Sie stellen höhere Ansprüche an die Qualifikation der Ärzte und das Qualitätsmanagement der Kliniken.
Sind die Funktionen des gesamten Gehirns, also des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, irreversibel erloschen, ist laut Bundesärztekammer von Hirntod die Rede. Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch zugleich der Tod eines Menschen gesichert. Nur wenn dies zweifelsfrei der Fall ist, kommt er nach Vorgaben des Transplantationsgesetzes (TPG) als toter Spender für eine Organentnahme infrage.
Das Verfahren und der Ablauf zur Feststellung des Hirntods haben laut TPG dem Stand der Erkenntnisse medizinischer Wissenschaft und mit ihm den entsprechenden Richtlinien der Bundesärztekammer zu folgen.
Mehrjährige Intensiverfahrung reicht zukünftig nicht aus
Die Diagnose des Hirntods ist gemäß TPG „jeweils durch zwei dafür qualifizierte Ärzte zu treffen, die den Organ- oder Gewebespender unabhängig voneinander untersucht haben“. Ergänzend dazu setzt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer in der bislang gültigen Fassung seiner Richtlinien voraus: „Die beiden den Hirntod feststellenden und dokumentierenden Ärzte müssen (…) über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen verfügen.“
Eine Neufassung des Regelwerks der Bundesärztekammer soll nun für strengere Anforderungen an Ärzte sorgen; dies teilte die Süddeutsche Zeitung mit. Die bislang geforderte mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen soll in Zukunft nicht mehr ausreichen. Stattdessen muss einer der beiden für die Diagnose erforderlichen Ärzte Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein. Außerdem sollen Krankenhäuser, in denen die Hirntoddiagnostik stattfindet, zukünftig Verfahren zur Qualitätssicherung vorhalten müssen – beispielsweise im Rahmen von freiwilligen Verfahren, ärztlichen Qualitätszirkeln oder internen Audits.
Kritiker bemängeln halbherzige Nachbesserungen
Im Februar 2015 hatte der Deutsche Ethikrat zum Thema Hirntod und Entscheidung zur Organspende Stellung bezogen: Im Interesse einer verlässlichen Hirntoddiagnostik seien die Methoden kontinuierlich dem Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft anzupassen und in der Praxis sicher umzusetzen. Durch eine entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung sei die hohe medizinische Fachkompetenz der untersuchenden Ärzte zu gewährleisten.
Ob die überarbeitete Richtlinie bisherige Lücken ausreichend behebt, ist in Fachkreisen umstritten. Kritiker bemängeln laut Süddeutscher Zeitung unscharfe Regelungen und den weiterhin fehlenden Nachweis über ärztliche Kenntnisse. Denn faktisch müssen Ärzte auch in Zukunft nie einen Hirntoten gesehen haben, bevor sie sich selbst an der Diagnose beteiligen.
Das Bundesgesundheitsministerium soll das bislang unveröffentlichte Regelwerk bereits genehmigt haben. Um Gültigkeit zu erhalten, muss die neue Fassung nun im Deutschen Ärzteblatt publiziert werden.
Quellen
- Gesetze im Internet: Transplantationsgesetz
- Bundesärztekammer. Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer. Dritte Fortschreibung 1997 mit Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz (TPG). Deutsches Ärzteblatt 1998; 30: A-1861-1868
- Süddeutsche Zeitung. Bundesärztekammer verschärft Regeln zur Hirntod-Feststellung. Pressemitteilung vom 30.04.2015
- Deutscher Ethikrat (2015). Hirntod und Entscheidung zur Organspende. Stellungnahme. Deutscher Ethikrat; Berlin
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