Fehlversorgt: Arzt muss „klug entscheiden“
20.07.2015
Kristina Mohr
Ob im Krankenhaus oder beim niedergelassenen Arzt: Patienten bekommen täglich diagnostische Untersuchungen oder Therapien verschrieben, die eigentlich nicht nötig sind oder sogar schaden. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) will dies mit der Initiative „Klug entscheiden“ ändern.
Wenn Menschen in Deutschland zum Arzt gehen, verordnet ihnen dieser nicht selten Untersuchungen oder Behandlungen, die ihnen nicht nützen. Im besten Fall bedeutet dies vermeidbare Kosten, im negativsten nimmt der Patient Schaden. So rät die DGIM zum Beispiel davon ab, Antibiotika bei einfachen Atemwegsinfekten zu verschreiben oder bei Rückenschmerzen zu röntgen, wenn diese nicht länger als sechs Wochen anhalten. Auf der anderen Seite gibt es hilfreiche Methoden, die zu selten zum Einsatz kommen.
Pro- und Kontraempfehlungen bis Jahresende
Um solcher Über- und Unterversorgung entgegen zu wirken, hat die DGIM gemeinsam mit den internistischen Fachgesellschaften das Projekt „Klug entscheiden“ ins Leben gerufen. Es soll Fälle identifizieren, in denen Ärzte häufiger fehlentscheiden. Bis zum Herbst möchte die DGIM insgesamt 120 Empfehlungen formulieren. Jedes der Schwerpunktfächer ist nun angehalten, evidenzbasiert fünf Methoden aufzuzeigen, die häufig unnötig erbracht und fünf, die zu selten verordnet werden. Die Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres publiziert und dann im Internet frei abrufbar sein. Die DGIM befragt außerdem Ärzte, um herauszufinden, weshalb diese über- und unterversorgen.
Zu selten „Nein“
Ein Grund dafür, dass Ärzte ihre Patienten zu umfassend untersuchen, ist nach Auffassung von Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß, dem 1. Vorsitzenden des DGIM, die Tatsache, dass es zu wenige negative Empfehlungen für Behandlungsmethoden gäbe. Insbesondere für junge Ärzte sei es teils schwierig zu beurteilen, welche diagnostischen Maßnahmen angemessen sind. „Wie wir alle wollen sie dem Patienten helfen und führen deshalb bestimmte Untersuchungen ,sicherheitshalber‘ durch“, sagt Prof. Hasenfuß. Zwar könnten Ärzte die Handlungsempfehlungen der Leitlinien zu Rate ziehen, in diesen stünden jedoch zu selten Hinweise auf Methoden, die in einer konkreten Situation zu unterlassen seien.
Zum Wohle des Patienten
Das Projekt „Klug entscheiden“ orientiert sich an der amerikanischen Initiative „Choosing wisely“, die Listen mit unnötigen medizinischen Maßnahmen veröffentlicht. Die DGIM möchte zusätzlich Maßnahmen benennen, die zu selten zum Einsatz kommen, obwohl ihr Nutzen erwiesen ist. Denn das Ziel sei vor allem, den einzelnen Patienten besser zu versorgen, aber auch unnötige Kosten zu vermeiden.
Quelle
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Internisten fordern kluges ärztliches Entscheiden Patienten vor Über- und Unterversorgung zu schützen. Pressemitteilung im Juli 2015.
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