Am Lebensende zu selten zu Hause
02.11.2015
Kristina Mohr
In Deutschland erhalten zu wenige Menschen palliative medizinische Leistungen. Obwohl bis zu 90 Prozent eine Palliativversorgung am Lebensende benötigten, erfolgt diese nur in 30 Prozent der Fälle.
Die Bertelsmann Stiftung hat in ihrem "Faktencheck Gesundheit" zum Thema Palliativpflege drei Studien analysiert, um herauszufinden, welche Angebote an Palliativmedizin es derzeit in Deutschland gibt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere im ambulanten Bereich noch deutliche Lücken bestehen.
Zu Hause sterben – öfter Wunsch als Wirklichkeit
Wunsch und Wirklichkeit klaffen deutlich auseinander, wenn es darum geht, wo Menschen sterben möchten. So wünscht sich laut Faktencheck die große Mehrheit (76 Prozent), zu Hause sterben zu können – tatsächlich tun dies jedoch nur 20 Prozent. Die meisten verbringen ihre letzten Tage im Krankenhaus (46 Prozent) oder im Pflegeheim (31 Prozent).
Ambulante Palliativpflege ausweiten
Wo ein schwerkranker oder alter Mensch stirbt, werde auch durch das medizinische und pflegerische Angebot vor Ort beeinflusst. So sterben in Bundesländern, die über stärker ausgebaute palliative Einrichtungen im stationären Bereich verfügen, mehr Menschen in Kliniken. Umgekehrt verbringen Sterbende in Regionen mit vielen niedergelassenen Palliativmedizinern öfter ihre letzte Lebensphase in ihrer vertrauten Umgebung. Deshalb müsste dringend vor allem ein Ausbau der ambulanten Strukturen erfolgen. „Die Planung neuer Versorgungsangebote sollte sich an dem Wunsch der allermeisten Menschen ausrichten, ihre letzten Lebenstage zu Hause zu verbringen“, sagte Dr. Brigitte Mohn,Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Mehr Palliativstationen – mehr Sterbefälle im Krankenhaus
Die hohe Zahl an Todesfällen im Krankenhaus führt die Studie auch auf die Tatsache zurück, dass viele Kliniken in den vergangenen Jahren Palliativstationen eingerichtet haben. Schwer kranke Patienten dort soweit zu stabilisieren, dass sie mit entsprechender ambulanter Betreuung zu Hause sterben können, gelänge scheinbar oft nicht. Dies könnte unterschiedliche Ursachen haben: Möglicherweise kämen Patienten zu kurz vor ihrem Tod auf eine Palliativstation, oder aber Angehörige und Betroffene scheuen eine Verlegung so kurz vor dem Ende, vor allem wenn eine kompetente palliative Pflege zu Hause nicht sichergestellt ist oder die Krankenhauseinweisung zuvor aus diesem Grund erfolgte. Ein weiter Grund könnten die Kliniken selbst sein, die im starken regionalen Wettbewerb stationäre Palliativbehandlungen als neues Geschäftsfeld sehen.
Patienten und Angehörige aufklären
Die verhältnismäßig geringe Inanspruchnahme von palliativen Leistungen am Lebensende sei jedoch nicht nur einem insgesamt zu geringen Angebot geschuldet. Laut Faktencheck besteht noch immer großer Aufklärungsbedarf bei Patienten und Angehörigen. Vielen sei nicht bewusst, dass eine gut organisierte Palliativpflege oft dazu beitragen kann, die Krankenhauseinweisung kurz vor dem Tod zu verhindern.
Der Bundestag beschließt am kommenden Donnerstag das neue Hospiz- und Palliativgesetz, das eine bessere Betreuung sterbender Menschen ermöglichen soll.
Quellen
- Bertelsmann Stiftung. Medizinische Versorgung am Lebensende noch zu häufig im Krankenhaus. Pressemitteilung vom 2. November 2015.
- Bertelsmann Stiftung. Faktencheck Gesundheit. Palliativversorgung. November 2015.
Mehr zum Thema
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