Der Arzt für Asylsuchende: nur im Notfall und doch teurer
24.07.2015
Kristina Mohr
Asylsuchende können in der Regel nicht einfach zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Trotzdem sind die Kosten für ihre Gesundheitsversorgung pro Kopf um circa 40 Prozent höher als bei Asylsuchenden, die Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben.
Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Bielefeld, die Daten des statistischen Bundesamtes der Jahre 1994 bis 2013 auswerteten. Seit 1993 regelt das deutsche Asylbewerbergesetz, dass asylsuchende Menschen nur medizinische Hilfe erhalten, wenn sie akut krank sind, Schmerzen haben oder eine Therapie unaufschiebbar ist. Zuvor müssen Sie den Arztbesuch bei der Sozialbehörde beantragen. Diese Richtlinien sind ethisch umstritten.
Parallelsysteme sind teuer
Nun stellen die Wissenschaftler auch ihren wirtschaftlichen Sinn infrage: „Qualitativ gute, bedarfsgerechte und kostengünstige Versorgung ist vor allem durch integrierte, primärmedizinisch orientierte Systeme zu erreichen. Parallelsysteme hingegen sind teuer und ineffizient, vor allem, wenn sie Teile der Bevölkerung von der Versorgung ausschließen“, meint Dr. Kayvan Bozorgmehr, Autor der Publikation und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Universitätsklinikum Heidelberg, in einer Pressemitteilung.
22 Prozent geringere Gesamtausgaben
Wenn ein Asylsuchender ohne bürokratische Hürden wie jeder andere gesetzlich Versicherte mit seiner Krankenkasse einen Arzt aufsuchen könnte, entstünden geringere Kosten. Die Forscher errechneten: Die Gesamtausgaben hätten in den letzten 20 Jahren um circa 22 Prozent geringer ausfallen können. Allerdings ließe sich die Kostendifferenz nicht gänzlich erklären: Gemessen an Alter, Geschlecht, Herkunftskontinent und Unterbringungsart variierte der Bedarf von medizinischen Leistungen.
Gleiches Recht für alle
Asylsuchende erhalten derzeit in der Regel erst nach 15 Monaten die Möglichkeit, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in vollem Umfang zu nutzen. Ausnahme davon sind Bremen und Hamburg, wo Asylsuchende ohne Wartezeit eine Gesundheitskarte bekommen. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass eine bundesweite Umsetzung des „Bremer Modells“ nicht nur ethisch der richtige Weg sei, sondern auch aus finanziellen Gründen sinnvoll.
Quellen
- Bozorgmehr K, Razum O. Effect of Restricting Access to Health Care on Health Expenditures among Asylum-Seekers and Refugees: A Quasi-Experimental Study in Germany, 1994-2013. PLoS ONE 2015; 10(7): e0131483.
- Universitätsklinikum Heidelberg. Eingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung bei Asylsuchenden ist teurer als die Regelversorgung. Pressemitteilung vom 23. Juli 2015.
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