Auch im Alter besser niedrig?
20.11.2015
Kristina Mohr
Eine intensivere Senkung des Blutdrucks bei Senioren reduziert bereits nach wenigen Jahren die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse um 25 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine US-amerikanische Studie mit rund 9300 Hochdruckpatienten im Alter über 50 Jahre. Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzierten sich sogar um 43 Prozent.
Bei der einen Hälfte der Probanden hatten die Ärzte einen systolischen Zielwert von 120 mmHg, bei der anderen von 140 mmHg angestrebt. Um niedrigere Blutdruckwerte zu erreichen, nahmen Studienteilnehmer verstärkt Medikamente ein. Neben den genannten positiven Auswirkungen kam es in der Patientengruppe mit durchschnittlichen Blutdruckwerten von 120 mmHg zu einer höheren Rate an Hypotension, Synkopen und Nierenfunktionsstörungen. Aufgrund der eindrucksvollen positiven Effekte beendeten die Forscher die ursprünglich auf 5 Jahre ausgelegte Studie nach rund 3 Jahren.
100 plus Lebensjahre sind normal
Bisher gilt die Empfehlung, bei älteren Menschen einen leicht erhöhten Blutdruck zu tolerieren. Ein Richtwert ist die Regel, dass der systolische Wert dem Lebensalter plus 100 entsprechen darf. Für einen 60-Jährigen bedeutet dies, dass 160 mmHg normal sind, da bei vielen Menschen der Blutdruck im Alter steigt.
Gesünder leben anstelle von Tabletten
Einschlägige Empfehlungen des amerikanischen „Joint National Committee“ (JNC 8) oder die europäische Leitlinie zur Bluthochdruck-Behandlung bezeichnen einen systolischen Druck von 120-129 mmHg als normal und Werte zwischen 130 und 139 mmHg als hochnormal. Die Gabe von blutdrucksenkenden Medikamenten empfehlen sie für diese Werte nicht, Betroffene sollten lediglich ihren Lebensstil verändern.
Möglicherweise neue Empfehlungen
Nach Ansicht von Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) könnte sich dies nun ändern. DSG-Pressesprecher Professor Dr. med. Joachim Röther meint: „Es wird sicher nicht gleich eine generelle Empfehlung für einen Zielwert unter 120 mmHg systolisch geben, aber die JNC 8-Empfehlung, Patienten älter als 60 Jahre erst ab einem Blutdruck von 150 mmHg zu behandeln, dürfte wieder vom Tisch sein. Wir werden die Patienten allerdings auch überzeugen müssen, mehr Wirkstoffe als bisher einzunehmen“, sagt Röther.
Niedrigere Werte reduzieren vermutlich auch Schlaganfallrisiko
Die deutschen Mediziner vermuten auch, dass niedrigere Blutdruckwerte im Alter das Risiko für einen Schlaganfall senken. Zwar hätte die Zahl der Schlaganfälle in der Studie nur um 11 Prozent abgenommen, was statistisch nicht signifikant war, jedoch läge dies vermutlich an der kurzen Laufzeit der Studie. Die meisten Schlaganfälle seien die Folge einer allmählichen Gefäßverkalkung in den Hals- und Hirnarterien, die sich über viele Jahre entwickle.
Quellen
- Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)/eutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Jugendlicher“ Blutdruck im Alter schützt auch vor Schlaganfall. Schlaganfallexperten fordern: Risikofaktor Bluthochdruck ernst nehmen. Pressemitteilung vom 19. November 2015.
- The SPRINT Research Group. A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. NEJM 2015. DOI: 10.1056/NEJMoa1511939
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