Weaning
03.03.2017
Rund 40 Prozent aller Patienten, die künstlich beatmet werden müssen, haben Schwierigkeiten, anschließend vom Beatmungsgerät entwöhnt zu werden. Sie müssen unter hohen Kosten weiterbehandelt werden. Um die Entwöhnung – das sogenannte Weaning – und damit die Prognose für die Patienten zu verbessern, hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) das Kompetenznetzwerk „WeanNet“ gegründet. Wie das Weaning Kosten spart und gleichzeitig die Lebensqualität der Betroffenen verbessert, erklären Experten auf den Pressekonferenzen im Rahmen des 58. DGP-Kongresses in Stuttgart.
Medizinische Notfälle wie akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfälle oder chronische Lungenerkrankungen können Anlass für eine künstliche Beatmung auf der Intensivstation sein. Dabei wächst die Zahl der Patienten, die nur schwer vom Beatmungsgerät zu entwöhnen sind und deswegen längerfristig beatmet werden müssen. Das betrifft hierzulande etwa 30 000 Patienten und kostet das Gesundheitssystem zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr. Je länger der Patient an das Beatmungsgerät gebunden ist, desto mehr Atemmuskulatur baut sich ab und desto schwerer fällt es ihm, wieder selbstständig zu atmen. Zehn Prozent der Betroffenen sind auch nach Entlassung aus der Klinik auf das Beatmungsgerät und intensive Pflege angewiesen – ein Zustand, der nach Möglichkeit vermieden werden sollte, findet Professor Dr. med. Martin Hetzel, Tagungspräsident des diesjährigen DGP-Kongresses. „In vielen Kliniken wird das Weaning zu früh aufgegeben, weil die Strukturen und das Personal auf den Intensivstationen dafür fehlen“, sagt der Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Beatmungsmedizin und Allgemeine Innere Medizin am Krankenhaus vom Roten Kreuz Bad Cannstatt.
Mehr als 50 Prozent können erfolgreich entwöhnt werden
Um die Intensivstation zu entlasten, spezialisieren sich sogenannte Weaningzentren darauf, Beatmungspatienten bei der Entwöhnung zu unterstützen. Neben den Atemübungen gehört dazu auch Physiotherapie oder Logopädie, denn viele Patienten müssen auch das Schlucken wieder lernen. Die professionelle Entwöhnung sei zeit- und personalintensiv, so Hetzel: „Die Anstrengung lohnt sich aber, weil sie nachweislich die Lebenserwartung und -qualität verbessert und auch finanziell günstiger ist als die dauerhafte außerklinische Beatmung in einem Intensivpflegeheim.“ Untersuchungen der DGP haben ergeben, dass über 50 Prozent der langzeitbeatmeten Patienten erfolgreich vom Beatmungsgerät entwöhnt werden können und eventuell nur noch zum Schlafen eine Atemmaske brauchen.
Das bundesweit kooperierende Kompetenznetzwerk WeanNet der DGP unterstützt spezialisierte Weaningzentren in inhaltlichen und organisatorischen Fragen. Ein spezielles Zertifizierungsverfahren und ein zentrales Patientenregister sollen die Weiterentwicklung der Zentren fördern und die Qualität der Behandlung sicherstellen.
Quellen
- Schönhofer B, WeanNet Study Group, WeanNet: Das Netzwerk von Weaning-Einheiten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).
- Epidemiologie und Outcome bei Patienten im prolongierten Weaning, Dtsch Med Wochenschr 2016, 141:e166–e172
- Schönhofer B, WeanNet: Strukturierte Entwöhnung vom Respirator, Dtsch Arztebl 2011; 108(51-52)
- Der Buchabschnitt "Invasive Beatmung" im Werk "Intensivpflege und Anästhesie" fasst die Indikationen zur Respiratortherapie und den Beatmungsformen zusammen und beschreibt darüber hinaus das kontinuierliche und diskontinuierliche Weaning.
- Im Beitrag "Tracheostoma in Notfall- und Langzeitversorgung" erfahren Sie, was Sie zum Umgang mit dem Tracheostoma und der Trachealkanüle wissen müssen; dabei werden Ihnen verschiedene Trachealkanülen vorgestellt.
- Das Kapitel „Kommunikation mit kritisch Kranken und ihrem Umfeld“ im Buch „Intensivpflege und Anästhesie“ sensibilisiert eindrücklich für die belastende Situation der Patienten im intensivmedizinischen Umfeld. Sie erfahren, wie Sie professionell und unterstützend mit den Betroffenen und ihren Nahestehenden interagieren können.