Flüchtlinge medizinisch unterversorgt
05.02.2016
Kristina Mohr
Die medizinische Grundversorgung von Flüchtlingen entspricht nicht den gesetzlichen Mindeststandards. Zu diesem Schluss kommt eine Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik. Die Fachleute empfehlen als ersten Schritt, den Zugang zu Ärzten bundesweit einheitlich mit einer Gesundheitskarte zu regeln.
„Wir können und müssen den Zugang zu medizinischen Behandlungen für Flüchtlinge auf einem guten Niveau vereinheitlichen und vereinfachen: Das entspricht einem menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und ist langfristig auch günstiger für die Gesellschaft", betont Armin Laschet, Vorsitzender der Expertenkommission in einer entsprechenden Meldung. Bisher müssten Flüchtlinge vielerorts vor jedem Arztbesuch einen Krankenschein bei den Gesundheits- und Sozialämtern beantragen. Die Gesundheitskarte könnte viel Bürokratie abbauen und Kosten sparen, wie Erfahrungen aus Bremen und Hamburg zeigen. Als erstes Flächenland arbeitet aktuell Nordrhein-Westfalen daran, eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen.
Neuer, bundeseinheitlicher Leistungskatalog gefordert
Die Experten empfehlen weiter, einen bundeseinheitlichen Leistungskatalog für die Grundversorgung einzuführen. Dessen Umfang sollte ein unabhängiges Fachgremium festlegen. Denn entgegen häufig geäußerter Bedenken sei eine Grundversorgung auf gutem Niveau mit weniger Kosten verbunden als die gegenwärtige Praxis. Das belegen aktuelle Studien. Da Flüchtlinge momentan in den ersten 15 Monaten nur Anspruch auf eine Notversorgung hätte, würden wichtige Impfungen wie gegen Tuberkulose oft erst nach Monaten durchgeführt. Dies steigere jedoch die Ansteckungsgefahr in den Gemeinschaftsunterkünften.
Gut versorgt von Anfang an
In ihrem veröffentlichten Dossier fordert die Expertenkommission auch, die Zahl der Ärzte und Sozialarbeiter in den Erstunterkünften aufzustocken. Schon dort sei eine gute gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten. Zurzeit seien vor allem traumatisierte Flüchtlinge unterversorgt und erhielten nicht die nach EU-Recht erforderliche medizinische Hilfe. Zusätzliches Personal könnten zum Beispiel durch Ärzte im Ruhestand oder Medizinstudenten im Praktischen Jahr aufgestockt werden. Die frühzeitigen Behandlungsmöglichkeiten auszubauen helfe dabei, langfristigen Erkrankungen und damit Folgekosten vorzubeugen.
Quellen
- Robert Bosch Stiftung. Experten empfehlen vereinfachten und bundesweit einheitlichen Zugang für Flüchtlinge zu medizinischer Grundversorgung. Pressemitteilung vom 4. Februar 2016.
- Robert Bosch Stiftung (Hg.) Themendossier Zugang zu Gesundheitsleistungen und Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber. Februar 2016.
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