Rückenschmerz: Patienten überschätzen Bildaufnahmen
29.11.2016
Thomas Koch
Bei Rückenschmerzen zeigen Patienten und Mediziner häufig übertriebene Reaktionen. So erhoffen sich viele Betroffene von ihren Behandlern meist eine schnelle Diagnose auf der Basis bildgebender Verfahren. In vielen Fällen korrigieren Ärzte diese überhöhte Erwartung der Patienten nicht. Dies sind Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung, die im „Faktencheck Rücken“ veröffentlicht wurden.
Laut Studie geht jeder fünfte gesetzliche Versicherte mindestens einmal im Jahr zum Haus- oder Facharzt, weil er an Rückenschmerzen leidet. 27 Prozent davon nehmen vier oder mehr Termine wahr, um sich behandeln zu lassen. Aus Sicht der Studienautoren wären viele der sechs Millionen Bildaufnahmen im Jahr zu vermeiden, die die Behandler wegen der 38 Millionen rückenschmerzbedingter Besuche veranlassen.
Patienten erwarten zu viel von bildgebenden Verfahren
Wie der Faktencheck Rücken weiter zeigt, denken 52 Prozent der Betroffenen, dass sie zum Arzt müssten, wenn sie Rückenschmerzen haben. 6 von 10 wollen außerdem zeitnah eine bildgebende Untersuchung. 69 Prozent glauben, dass ihr Arzt die Schmerzursache findet, wenn er eine Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahme anordnet. Aus Sicht der Studienautoren gehen die Betroffenen dabei von einer falschen Erwartung aus: Bei maximal 15 Prozent könne die spezifische Ursache des Rückenleidens so festgestellt werden. Die meisten Bilder würden weder die Diagnose noch die Behandlung der Rückenschmerzen verbessern.
Zu viele Arztbesuche, übereilte Diagnostik
Werden Ärzte von den Patienten mit überhöhten Erwartungen an bildgebende Verfahren konfrontiert, korrigieren viele diese fehlerhafte Einschätzung nicht. Laut Faktencheck komme es dadurch neben übermäßig vielen Arztbesuchen auch zu unnötig vielen Bildaufnahmen. „Oft werden die Befunde der Bildgebung überbewertet. Dies führt zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Behandlungen, zur Verunsicherung des Patienten und kann sogar zur Chronifizierung der Beschwerden beitragen", sagt Prof. Dr. Jean-Francois Chenot von der Universität Greifswald, medizinischer Experte für den Faktencheck. Die bildgebende Diagnostik erfolge zudem häufig zu übereilt. So ordneten 22 Prozent der Ärzte eine Rückenaufnahme schon im Quartal der Erstdiagnose an. Bei rund jedem zweiten Patienten veranlassten die Ärzte bildgebende Verfahren, ohne es vorab mit einer konservativen Therapie zu versuchen, etwa durch die Gabe von Schmerzmitteln oder die Verordnung physiotherapeutischer Maßnahmen.
Falsche Erwartungen der Patienten korrigieren
Schätzungen zufolge gelten 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen als medizinisch unkompliziert und unspezifisch. Gemäß ärztlicher Leitlinien sind bildgebende Verfahren nicht angezeigt, wenn bei den Betroffenen keine Hinweise auf gefährliche Verläufe (beispielsweise Wirbelbrüche oder Entzündungen) vorliegen. Die Patienten sollen sich in diesen Fällen weiter körperlich betätigen und Bettruhe vermeiden. Der Faktencheck zeigt allerdings, dass Ärzte von diesen wissenschaftlichen Leitlinien häufig abweichen. So wird 43 Prozent der Betroffenen Ruhe und Schonung empfohlen. Zudem würden Ärzte das Krankheitsgefühl der Patienten häufig eher verstärken als verringern. Fast jedem zweiten Patienten wurde von den Ärzten gesagt, dass ihr Rücken „kaputt" oder „verschlissen" sei. „Ärzte müssen falsche Kenntnisse und Erwartungen von Patienten korrigieren. Nur so werden sie ihrem eigenen Anspruch als vertrauenswürdige Experten gerecht", erklärt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Quelle
Bertelsmann-Stiftung
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