DAK-Pflegereport 2016
21.10.2016
Thomas Koch
60 Prozent der Deutschen wünschen sich, dass sie ihre letzten Lebensstunden zu Hause verbringen können. Dies zeigen Umfrageergebnisse des aktuellen DAK-Pflegereports. Tatsächlich versterben 75 Prozent im Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung.
Verglichen mit den Wünschen von jedem zweiten Umfrageteilnehmer klaffen Bedürfnis und Realität bezüglich des Sterbeortes somit weit auseinander. Nur vier Prozent der Befragten gaben in der repräsentativen Umfrage für den DAK-Pflegereport an, im Krankenhaus sterben zu wollen. Für eine Pflegeeinrichtung sprachen sich zwei Prozent aus. 16 Prozent machten dazu keine Angaben. Der Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu versterben, war bei Umfrageteilnehmern, die bereits Erfahrungen als pflegende Angehörige gesammelt haben, noch höher als bei den anderen Befragten (76 Prozent).
Skepsis gegenüber institutioneller Palliativversorgung
Die von der DAK beauftragten Forscher des AGP Institut Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg fragten auch nach den Gründen, warum Menschen am liebsten zu Hause sterben möchten. 73 Prozent denken, dass es erträglicher ist, in der vertrauten Umgebung zu sterben. 58 Prozent erwarten, dass es mit mehr Würde verbunden sein müsste als in einer Klinik oder einer Pflegeeinrichtung. „Diese Ergebnisse lassen eine ausgeprägte Skepsis gegenüber der palliativen Versorgung in Kliniken und Heimen erkennen“, resümiert der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Professor Herbert Rebscher.
In Kliniken stirbt jeder fünfte Patient allein
Der DAK-Pflegereport 2016 beinhaltet neben den Ergebnissen der repräsentativen Befragung auch Interviews mit pflegenden Angehörigen und Analysen von themenrelevanten DAK-Statistiken. Laut Report verstarb im Krankenhaus jeder fünfte Patient allein, im Pflegeheim sogar jeder dritte Bewohner. Hingegen waren nur sieben Prozent der Menschen, die in ihrem häuslichen Umfeld verstarben, ohne Beistand. Wie der Report weiter zeigt, waren zahlreiche Klinikaufenthalte vor dem Sterben der Patienten vermeidbar, was aus Sicht der Autoren nicht nur den Wünschen der Bevölkerung zuwiderlaufe, sondern auch unnötige Kosten mit sich bringe.
Sterben in Einrichtungen nimmt zu
Der Report der Krankenkasse zeigt, dass die Institutionalisierung des Sterbens in den letzten zwanzig Jahren zugenommen hat. Während heute nahezu 75 Prozent der Deutschen in Klinik oder Pflegeeinrichtung versterben, zeigt die Analyse der Interviews pflegender Angehöriger, dass vor zwanzig Jahren etwa 55 Prozent zu Hause und 6 Prozent in Pflegeeinrichtungen verstarben. Die Tendenz der vergangenen fünf Jahre: Im häuslichen Umfeld konnten 32 Prozent aus dem Leben scheiden, für 22 Prozent war der Sterbeort die Pflegeeinrichtung. Relativ gleich geblieben sei im Verlauf der Anteil der Menschen, die in Krankenhäusern starben (fast 40 Prozent).
Viele trauen sich Versorgung bis zum Lebensende zu
Würden die Befragten einen Menschen bis zu dessen Lebensende pflegen? Laut Krankenkassenreport würde sich mehr als jeder Dritte dieser Herausforderung stellen. Hier waren es vor allem die weiblichen Umfrageteilnehmer, die als pflegende Angehörige bis zum Tod des Nahestehenden in Erscheinung treten würden (41 Prozent). Sind weibliche Befragte in Vollzeit tätig, würde sich dennoch jede Dritte die Versorgung zutrauen. Bei den in Teilzeit tätigen Frauen ist dazu bereits jede Zweite bereit. Vorausgesetzt ist dabei für viele Teilnehmer, dass sie als pflegende Angehörige Unterstützung erfahren von Familienmitgliedern, Ehrenamtlichen und professionell Pflegenden.
Grundsatz "ambulant vor stationär" greift nicht
Laut Report widerspreche der hohe Anteil sterbender Menschen im Krankenhaus nicht nur dem Bedürfnis der meisten Teilnehmer, zu Hause zu versterben. Dass so viele Menschen im Krankenhaus sterben, sei darüber hinaus mit hohen Kosten verbunden. Rund 60.000 Daten von verstorbenen Versicherten mit vorausgehender Pflegebedürftigkeit werteten die Forscher aus. Ergebnisse: Im letzten Quartal vor ihrem Tod waren 64 Prozent der Betroffenen in einer Klinik. Im Schnitt ist ein solcher Aufenthalt mit Kosten von fast 9000 Euro verbunden. Aus Sicht von DAK-Vorstand Rebscher, kann davon ausgegangen werden, dass viele der Aufenthalte vermeidbar gewesen wären. Die Entwicklung widerspreche dem Grundsatz „ambulant statt stationär.“ „Diese vermeidbaren Krankenhausaufenthalte belasten nicht nur die Solidargemeinschaft. Sie stehen auch im klaren Widerspruch zu dem, was sich die meisten Menschen wünschen, wenn sie sterben müssen. Hier ist es an uns als Krankenkasse, steuernd einzugreifen, und hier gehen wir gerne voran“, sagte Rebscher bei der Vorstellung des Reports in Berlin. Rebscher appelliert angesichts der Ergebnisse dafür, das Hospiz- und Palliativgesetz dringend umzusetzen. Das Ende 2015 beschlossene Gesetz soll die palliative Versorgung vor allem im häuslichen Rahmen verbessern.
Quelle
DAK-Gesundheit
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