Bibliothek
Medikamentöse Therapie
ERKRANKUNGEN DER VERDAUUNGSORGANE
Magen- und Darmerkrankungen
Peptische Läsionen, Magen- und Darmulzera, Refluxösophagitis, Erosionen, Gastritis, Duodenitis
„Ohne Säure kein Ulkus“. Dieser alte Satz, der vereinfachend die Entstehung eines Magen- und eines Zwölffingerdarmgeschwürs erklärt, besitzt heute noch Gültigkeit. Neben der peptischen Komponente gehört zu den Voraussetzungen der Ulkuskrankheit eine gewisse Mukosaschwäche, hervorgerufen durch äußere Noxen (wie etwa nicht steroidale Antiphlogistika) oder durch einen Befall der Schleimhaut mit Helicobacter pylori. Die übrigen begünstigenden Faktoren spielen eine etwas geringere Rolle: Stress, Nikotinkonsum, Alkoholabusus, Kaffeegenuss, Glukokortikoide.
Die konservative Therapie der Ulkuskrankheit baut auf folgende Konzepte ( Abb. 16.1 ):
-
antimikrobielle Therapie (Helicobactereradikation),
-
Hemmung der Säurebildung,
-
Meidung medikamentöser Noxen,
-
Schleimhautprotektion,
-
Säurebindung,
-
Änderung der Lebensweise,
-
Motilitätsförderung.
Der Gastritis und Duodenitis kommt in der Regel keine eigenständige Krankheitsbedeutung zu; leichtgradige Schleimhautalterationen bedürfen keiner medikamentösen Therapie. Die Typ-A-Gastritis mit Intrinsic-Faktor-Mangel prädestiniert zur perniziösen Anämie und verlangt gewöhnlich eine Vitamin-B12-Therapie (S. 207). Die Typ-B-Gastritis fasst man als Helicobacter-Schaden auf. Die Gastritis vom Typ C geht auf chemische Noxen, oft auf Medikamentennebenwirkungen (Azetylsalizylsäure, nichtsteroidale Antiphlogistika) zurück. Die Schleimhautentzündungen vom Typ B und C bereiten den Boden für eine Ulkuskrankheit. Magenschleimhautinseln in der Duodenalschleimhaut, vor allem im Bulbus duodeni erlauben es, für Zwölffingerdarm- und für Magengeschwüre einen gleichartigen Entstehungsmechanismus anzunehmen. Erosionen gelten als peptische Läsionen und werden meist ähnlich wie ein Ulkus behandelt. Für die Entstehung einer Refluxösophagitis wirken gewöhnlich eine peptische Komponente, gastroösophageale Motilitätsstörungen und häufig Genussnoxen (Alkohol, Nikotin) zusammen. Demgemäß steht auch für die Behandlung einer Refluxkrankheit die Säureblockade im Mittelpunkt, bisweilen zu ergänzen durch eine Förderung der Bewegungsaktivität des Ösophagus (Prokinetika). Als Sonderformen von Ösophagitiden seien die alkalische Refluxösophagitis (nach Gastrektomien) und die Soorösophagitis (Candidabefall) erwähnt, die den Einsatz spezieller Puffer bzw. von Antimykotika verlangen.

Abb. 16.1 a-b Konservative Therapie der Ulkuskrankheit. a Therapie peptischer Läsionen, b Medikamentöse Hemmung der Säureproduktion.
Die operative Therapie peptischer Läsionen bleibt im wesentlichen akuten Komplikationen dieser Krankheiten vorbehalten (medikamentös und endoskopisch nicht stillbare Blutungen, Perforationen, Narbenstenosen) oder kommt bei nicht zu klärender Dignität (Malignomverdacht) eines Krankheitsherdes zum Zuge. Therapierefraktären Krankheitsverläufen begegnet man selten, am ehesten noch als Problem nach operativen Eingriffen. Die laparoskopische („Knopfloch“)-Chirurgie läutet für ausgewählte Patienten (fürs erste mit einer Refluxkrankheit) eine gewisse Renaissance der operativen „Säurechirurgie“ ein.
Die Erfolge der konservativen und der Rückgang der chirurgischen Therapie verwirken auch einen Rückgang der Probleme des operierten teilresezierten Magens.
Es sei hier aber an die Vitamin-B12-Prophylaxe einer obligat drohenden perniziösen Anämie erinnert (S. 207). Überschießende Blutzuckerschwankungen glätten Guar, Acarbose oder Miglitol (S. 296). Verdauungsschwächen gleichen Pankreasfermente aus (S. 289). Eine Säuresubstitution hingegen, obgleich einstmals versucht, erweist sich nicht als sinnvoll.
Medikamente zur Neutralisierung der Magensäure (Antazida)
Kalziumcarbonat (Kalziumcarbonat 500), Dihydroxydaluminiumnatriumcarbonat (Kompensan), Aluminiumhydroxid (Aludrox), Aluminiumphosphat (Phosphalugel), Aluminium-Magnesium-Silicathydrat (Gelusil), Aluminium-Magnesium-Hydroxid (Maaloxan), Aluminium-Magnesium-Hydroxid/Kalziumcarbonat (Trigastril), Aluminium-Magnesium-Hydrat (Riopan)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Basen bzw. basische Salze dienen als Antazida. Sie binden und neutralisieren die aggressive Salzsäure des Magens und erhöhen den pH-Wert, wodurch auch Pepsin inaktiviert wird. Dies lindert Beschwerden und fördert die Ulkusheilung und beugt Stressläsionen und Rezidiven vor. Wirksamere Medikamente verdrängen diese traditionsreichen Therapeutika peptischer Läsionen. Doch besitzen sie immer Bedeutung für „leichte“ Beschwerden und in der Selbstmedikation (aus der „Hausapotheke“).
Praktischer Hinweis:Antazida behindern die Resorption vieler Medikamente (z.B.: Digitalis, Tetrazykline, Penizilline). Für eine Zusatzmedikation sollte man einen Abstand von wenigstens zwei Stunden zum Antazidum einhalten.
Verhalten der Medikamente im Körper:Antazida wirken lokal und in gleicher Weise, egal ob sie als Lutschtablette, aufgelöste Pulver oder in Form von Gel angeboten werden. Da die Nahrung einen natürlichen Säurepuffer darstellt, sollten die Antazida nicht vor oder zu den Mahlzeiten eingenommen werden, sondern eine Stunde und drei Stunden danach sowie vor der Nachtruhe ( Abb. 16.2 ).
Unerwünschte Wirkungen:Sehr hohen Dosen können eine bakterielle Besiedlung des oberen Verdauungstrakts und (bei Intensivpatienten) durch Aspiration in die Lunge nosokomiale pneumonische Infektionen begünstigen. Aluminiumverbindungen wirken verstopfend, Magnesiumverbindungen fördern weiche bis durchfallartige Stühle, Kalziumsalze verändern die Stuhlgewohnheiten bei verschiedenen Patienten unterschiedlich, häufiger im Sinne einer Obstipation. Kombinationspräparate werden in dieser Hinsicht am besten vertragen. Karbonate verursachen durch Kohlendioxidbildung oft Blähungen, Aufstoßen und Übelkeit. Natrium-Kalzium-Verbindungen mit möglichem Säure-Rebound und systemischer Überladung mit diesen Mineralien (Vorsicht mit Natrium bei Herzinsuffizienz und Hypertonie!) werden nur noch wenig eingesetzt. Aluminium bewirkt manchmal einen Phosphatmangel. Zu einer Aluminiumüberladung kann es bei renaler Insuffizienz kommen. Auch die möglichen Nebeneffekte tragen mit dazu bei, dass sich Antazida in der Langzeitprophylaxe nicht durchsetzen.
Filmbildner
Sucralfat (Ulcogant), Alginsäure (Gaviscon)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Sucralfat legt sich wie ein Film auf peptische Läsionen und schützt sie vor der Magensäure. Es stimuliert auch die lokale Bildung von Prostaglandinen und damit die Zytoprotektion (d.h. den Schutz der Schleimhautzellen). Die subjektive Linderung überzeugt nicht immer, doch heilen Erosionen und Ulzera (auch Ulzera nach Ösophagusvarizensklerosierung) gut ab. Sucralfat gilt als wirksam für die Sekundärprophylaxe und für die Stressulkusprophylaxe. Auch die Alginsäure deckt schützend Defekte der Schleimhaut. Ein wesentlicher Teil der Wirkung des Handelspräparats erwächst aber bestimmt aus der zugesetzten Antazidumkomponente.
Verhalten der Medikamente im Körper:Sucralfat wirkt als Lokaltherapeutikum. Es haftet auf einem Ulkusgrund weitaus besser (etwa 6 Stunden lang) als auf intakter Schleimhaut. Das saure Magenmilieu begünstigt die Filmbildung. Die Kombination mit einer extremen Säureblockade erscheint daher nicht sinnvoll. Im alkalischen Duodenum löst sich der einmal gebildete Film nicht gleich wieder auf, duodenale Ulzera sprechen sogar besser auf die Substanz an als solche im Magen. Nahrungsproteine verstärken die Schutzschicht. Sucralfat nimmt man daher am besten etwa eine Stunde vor einer Mahlzeit ein.
Unerwünschte Wirkungen:Als Nebenwirkungen beobachtet man bei Sucralfat gelegentlich Obstipationen und Mundtrockenheit. Bei Urämiepatienten achte man wie bei den Antazida auf eine mögliche Aluminiumüberladung. Ansonsten sind wesentliche systemische Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Das Gleiche trifft auch auf die Alginsäure zu.
Medikamente zur Hemmung der Säuresekretion
Histamin2-Rezeptor-AntagonistenCimetidin (Tagamet), Ranitidin (Sostril, Zantic), Famotidin (Pepdul, Ganor), Nizatidin (Gastrax, Nizax), Roxatidin (Roxit)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Histamin erfüllt als Gewebehormon vielfältigste Aufgaben im Organismus. Verschiedene Rezeptortypen steuern die jeweilige Antwort des Erfolgsorgans. Am Magen stimuliert Histamin die Säuresekretion. Histamin2-Rezeptor-Antagonisten hemmen die Säuresekretion und bewirken so eine gute Schmerzlinderung bei peptischen Beschwerden und fördern die Abheilung peptischer Läsionen. Primärprophylaxe (Stressulkusprophylaxe) und Sekundärprophylaxe bei der Ulkuskrankheit (Dauertherapie) gehören zu den gesicherten Indikationen. Eigentlich überholt, behaupten sich diese Medikamente noch immer: Ihre Wirkung soll früher als die mancher Protonenpumpenhemmer einsetzen. Viele Ärzte (und Patienten) vertrauen dem Altbewährten, und die Notwendigkeit zur „Kostendämpfung im Gesundheitswesen“ ruft sie sogar wieder verstärkt auf den Plan.
Verhalten der Medikamente im Körper:Cimetidin, Ranitidin und Famotidin können oral und intravenös verabreicht werden. In der
Intensivmedizin empfiehlt sich oft die Dauerinfusion. Die früher gebräuchlichen, umständlichen Schemata der Dosierungsintervalle (z.B. Cimetidin 200 mg 1–1-1–2) weichen heute der Empfehlung, die gesamte Dosierung für 24 Stunden zur Nacht zu geben: Dies gewährleistet eine optimale Säuresuppression über Nacht, erlaubt eine für die Verdauungsfunktion ausreichende Säureproduktion tagsüber und verbessert entscheidend die Patienten-Compliance (S. 60). Manche Patienten benötigen zur Schmerzfreiheit doch noch eine Tagesmedikation. Höhere Dosen führen zu einer stärkeren Wirkung, unterdrücken die Säuresekretion aber nie vollständig.
Unerwünschte Wirkungen:Höhere pH-Werte begünstigen eine bakterielle Besiedlung des Magens (und daraus folgend mögliche pulmonale Infektionen bei Intensivpatienten). Unter Cimetidin beobachtet man selten Kopfschmerz, Benommenheit, Übelkeit, Myalgien, Hautausschläge und Juckreiz, Libidoverlust, Impotenz und Gynäkomastie, leichte Anstiege des Kreatinins und Blutbildveränderungen. Durch eine Enzymhemmung in der Leber verlängern sich die Abbauraten für zahlreiche Medikamente (Phenprocoumon, Phenytoin, Theophyllin, Phenobarbital, Benzodiazepin, Propranolol, Nifedepin, Digitoxin, Chinidin, Mexiletin, Antidepressiva). Dennoch gilt – im Verhältnis zur Häufigkeit der Anwendung – Cimetidin als sicheres Medikament. Die neueren H2-Rezeptor-Antagonisten weisen die typischen Cimetidin-Nebenwirkungen nicht auf.
Muskarin1-Rezeptor-AntagonistenPirenzepin (Gastrozepin), Telenzepin
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Der N. vagus stimuliert mit seinem Überträgerstoff Azetylcholin über sog. Muskarinrezeptoren (Typ 1) die Magensäureproduktion ( Tab. 16.1 ). Atropin eignet sich als unspezifischer, kurzwirksamer Muskarinrezeptorblocker nicht für die Säuresuppression, wohl aber lassen sich mit dieser Zielsetzung weitgehend selektive M1-Rezeptor-Antagonisten einsetzen. Die Ulkusheilung wird beschleunigt, Stressläsionen und Ulkusrezidive treten unter (prophylaktischer) Therapie seltener auf, doch gelten die positiven Effekte als schwächer, verglichen mit denen der H2-Rezeptor-Antagonisten
Rezeptortyp |
Rezeptortyp Stimulationsort |
Antagonist |
M1-Rezeptor |
(Belegzelle?) autonomes Ganglion |
Pirenzepin, Telenzepin |
M2-Rezeptor |
Herz, glatte Muskulatur, Organe |
Ipratropiumbromid |
M3-Rezeptor |
Drüsen, (glatte Muskulatur), Belegzelle |
Die enterale und die intravenöse Zufuhr sind möglich. Es empfehlen sich 8–12-stündige Dosierungsintervalle.
Unerwünschte Wirkungen:Eine vollständige Organselektivität der Rezeptorhemmung lässt sich nicht erreichen. Daher kommt es vor allem bei höheren Dosen zu Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen oder Miktionserschwernis. Wegen der geringeren Säuresuppression bestehen keine Probleme mit einer bakteriellen Magenbesiedlung.
GastrinrezeptorantagonistenProglumid (Milid)
Wirkungsweise:Auch die säurestimulierende Wirkung des Magenhormons Gastrin lässt sich durch einen Antagonisten hemmen. Die Substanz verdient wegen ihres Wirkmechanismus theoretisches Interesse, konnte in der Therapie peptischer Läsionen aber keine große Bedeutung erlangen.
ProstaglandineMisoprostol (Cytotec), Enprostil, Arbaprostil
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Prostaglandine beteiligen sich an der Schleimhautprotektion und fördern die Bildung eines Schutzschleims, sie hemmen aber auch – höher dosiert – die Magensäuresekretion. Leider sieht man befriedigende Heilungserfolge peptischer Läsionen erst bei säurehemmenden, nebenwirkungsreicheren Dosen. Diese Substanzen konnten daher nicht die Erwartungen auf eine Neuorientierung der Ulkustherapie erfüllen, besitzen aber eine gewisse Bedeutung für durch nicht steroidale Antiphlogistika (also Prostaglandinantagonisten) induzierte Ulzera, hier auch in der prophylaktischen Anwendung.
Unerwünschte Wirkungen:Im Dosisbereich der Säurehemmung treten häufig Diarrhöen auf. Da Prostaglandine Wehen auslösen können, stellt eine Schwangerschaft eine strenge Kontraindikation dar. Alle gebärfähigen Frauen sollten dieses Medikament nicht erhalten, soweit nicht eine sichere Kontrazeption gegeben ist.
ProtonenpumpenhemmerOmeprazol (Antra, Gastroloc), Pantoprazol (Pantozol), Lansoprazol (Agopton), Esomeprazol (Nexium)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Eine ATPase der Belegzellen nimmt Kalium in die Zelle auf und sezerniert im Austausch Protonen, also das Säureion H+, dem das Chlorid folgt. Das heißt, die Belegzelle gibt Salzsäure in das Magenlumen ab. Eine Hemmung dieser Ionenpumpe bringt – dosisabhängig – die Salzsäuresekretion praktisch zum Erliegen. Es steht damit ein Medikament für eine effektive Standardtherapie peptischer Läsionen und für Problempatienten zur Verfügung, die auf H2-Rezeptor-Antagonisten nicht ansprechen: für Patienten mit einem Zollinger-Ellison-Syndrom, für die schwere Refluxkrankheit und für die ergänzende Therapie bei Ulkusblutungen. Auch die Langzeitanwendung in der Sekundärprophylaxe zeigt sehr gute Erfolge. Deshalb ist es heute auch weitverbreitet das Medikament 1. Wahl zur Hemmung der Säureproduktion geworden.
Verhalten der Medikamente im Körper:Omeprazol eignet sich für die orale und die intravenöse Applikation. Erst in der Säureumgebung der Belegzelle wird die Substanz (ein sog. pro-drug = Medikamentenvorstufe) in ihre aktive Form umgewandelt. Dies trägt zu ihrer Nebenwirkungsarmut bei. Die Substanz wird in der Leber mit einer Halbwertszeit von 30–90 min metabolisiert, doch hält die Säurehemmung weitaus länger vor, sodass sich (außerhalb der Intensivmedizin) Dosierungsintervalle von 12–24 Stunden (in der Prophylaxe auch 48) anbieten. Anders als bei den H2-Rezeptor-Antagonisten empfiehlt es sich, wegen der besseren Interaktion mit der aktivierten ATPase, Einmaldosen morgens zu geben.
Unerwünschte Wirkungen:Selbst hohe Dosen (beim Zollinger-Ellison-Syndrom) werden gut vertragen. Diarrhöe und Koliken, erhöhte Leberlaborparameter, Schwindel, Kopfschmerz, Müdigkeit, Hauteffloreszenzen und Leukopenien wurden beobachtet. Sorgen bereitet vielfach ein fast immer auftretender Anstieg des Gastrinserumspiegels, der (bei der Ratte – nicht beim Menschen bestätigt!) mit einer höheren Rate enterochromaffiner Karzinoidtumoren einhergeht. Durch die Interaktion mit einem Leberenzym können sich die Eliminationsraten für Medikamente wie Diazepam verschlechtern.
Antimikrobiell wirksame Therapie
WismutkolloideWismutsalizylat (Jatrox), Wismutzitrat (Telen), Wismusnitrat (Gastripan)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Wismutkolloide hemmen die Pepsinaktivität, fördern die lokale Prostaglandinbildung, steigern die Sekretion mukosaprotektiven Schleims und bilden zusammen mit den Proteinen des Ulkusgrunds eine Barriere gegen die Säurerückdiffusion. In den Mittelpunkt des Interesses rückten die Wismutpräparate aber erst, als man das Bakterium Helicobacter (Campylobacter) pylori als obligaten Begleiter und wohl Teilursache der Typ-B-Gastritis und der Ulkuskrankheit erkannte: Wismut löst Campylobacter-Organismen aus der Schleimhaut für die nachfolgende Lyse der Bakterien. Die subjektive Schmerzlinderung gilt als eher mäßig gut, doch lassen sich die Abheilungsraten durchaus mit denen unter H2-Rezeptor-Antagonisten vergleichen. Als besonderer Vorteil gilt, dass Rezidive gegenüber anderen (nicht von einer Langzeittherapie gefolgten) Behandlungsformen deutlich verzögert auftreten.
Verhalten der Medikamente im Körper: Wismutsalze sollen vor den Mahlzeiten und vor der Nachtruhe eingenommen werden. – Zwar resorbiert der Darm Wismut kaum, doch kann der Organismus das Metall lange Zeit speichern.
Unerwünschte Wirkungen:Wismut färbt Zähne, Zahnfleisch und Zunge schwarz und insbesondere auch den Stuhl und überdeckt so Frühzeichen einer gastrointestinalen Blutung. Wismut kann – bei renaler Insuffizienz – im Körper kumulieren und zu einer Enzephalopathie führen.
Kombination von Antibiotika (Triple-Therapie)
Wismut unterdrückt zwar die Besiedlung mit Helicobacter, führt allein aber oft nicht zu einer Bakterienfreiheit der Schleimhaut („Helicobacter-Eradikation“). Helicobacter pylori erweist sich als sensibel gegen Makrolide (Clarithromycin [Klacid]), Amoxicillin (Amoxypen), Tetrazykline (Vibramycin), Ofloxacin (Tarivid) und Metronidazol (Clont, Flagyl). Für eine Elimination dieses Keimes bedarf es einer Antibiotikakombination (z.B. Amoxicillin und Metronidazol, Clarithromycin und Metronidazol, Clarithromycin und Amoxicillin), gewöhnlich über eine Woche (selten schreiben die unterschiedlichsten, in Gebrauch befindlichen Schemata längere Behandlungszeiten vor) – mit oft erheblichen Unverträglichkeitserscheinungen, vor allem von Seiten des Gastrointestinaltrakts. Eine erfolgreiche Eradikation bedeutet zumeist auch eine Rezidivfreiheit bezüglich der Ulkuskrankheit – bis es doch wieder zu einer erneuten Keimbesiedlung kommt. Wismut als Therapiepartner der Antibiose taucht eigentlich nur in Empfehlungen für eine Second- oder Third-Line-Therapie auf (nach Versagen anderer Therapieversuche). Als Regel gilt die begleitende Säurehemmung mit einem Protonenpumpenhemmer, zumeist in der doppelten Standarddosis (im Vergleich zur Therapie peptischer Läsionen ohne Eradikationsanliegen). Es gibt sogar Kombinationspackungen, die in der ambulanten Medizin hilfreich sind, eine bessere Therapietreue zu erzielen. In Betracht kommt natürlich die Kombination von Antibiotika mit H2-Reptorantagonisten – bei etwas niedrigeren Eradikationsraten im Vergleich zu Protonenpumpenhemmern. Die Eradikationstherapie gilt als Vorgehensweise der Wahl, gerade im Vergleich mit der medikamentösen Langzeitprophylaxe.
Prokinetika für den oberen Gastrointestinaltrakt
Metoclopramid (Paspertin), Domperidon (Motilium), Bromoprid (Viaben), Alizaprid (Vergentan)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Der obere Verdauungstrakt wird cholinerg und dopaminerg innerviert. Die cholinerge Innervation fördert die propulsive (aboralwärts gerichtete, magenentleerende) Peristaltik, die dopaminerge Innervation steht antagonistisch dagegen und begünstigt die Stase und das Erbrechen. Dopaminantagonisten wie Metoclopramid, Bromoprid und Domperidon verstärken den Ösophagustonus gegen einen Reflux, steigern die magenentleerende Peristaltik, erschlaffen den Pylorus und beschleunigen die Dünndarmpassage. Metoclopramid erhöht die Effektivität cholinerger Nervenendigungen. Über einen zentralnervösen Dopaminantagonismus hemmt es zudem Übelkeit und Brechreiz. Bromoprid ähnelt dem Metoclopramid. Alizaprid wirkt vor allem zentral dopaminantagonistisch (mit der Hauptindikation zytostatikaindizierten Erbrechens). Domperidon übt einen peripheren Dopaminantagonismus aus, kaum aber einen zentralen. Indikationen für diese Medikamente ergeben sich bei Übelkeit und Erbrechen, bei Magenentleerungsstörungen, bei der autonomen diabetischen Neuropathie (Gastroparese), zur Ergänzung einer Ulkustherapie, bei Refluxbeschwerden wie Aufstoßen und Sodbrennen und bei manifester Refluxösophagitis gewöhnlich in Kombination mit säureblockierenden Maßnahmen.
Verhalten der Medikamente im Körper:Metochlopramid, Alizaprid und Bromoprid stehen für die orale und die parenterale Anwendung zur Verfügung, Domperidon nur für die orale Applikation.
Unerwünschte Wirkungen:Die zentralen Dopaminantagonisten Alizaprid, Metoclopramid und Bromoprid, weniger Domperidon, können extrapyramidalmotorische Störungen (besonders bei Kindern), Sedierung und Gynäkomastie mit Galaktorrhöe auslösen.
AzetylcholinmimetikaBethanechol (Myocholine)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Bethanechol tonisiert als Cholinergikum (Vagusimmitator) die glatte Muskulatur von Verdauungsorganen und Harnblase und fördert die Peristaltik und die Blasenentleerung. Nur orale Applikationen sind üblich. Unerwünschte Wirkungen: Unter Bethanechol werden Orthostasereaktionen, selten eine Verstärkung von Miktionsstörungen beobachtet.
MotilinagonistenErythromycin (Erythrocin), Oleandromycin
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Motilin, ein Hormon des Verdauungstrakts, fördert die Peristaltik des Magens und des Dünndarms. Erythromycin, eigentlich als Antibiotikum bekannt, und verwandte Medikamente besetzen die Rezeptoren des Motilins und imitieren seine Wirkung. Sie gelten als besonders starke Prokinetika, theoretisch etwa für eine diabetische Gastroparese geeignet. Die intravenöse Gabe von Erythromycin entleert den Magen zumeist rasch und gründlich und kann somit Notfallgastroskopien erleichtern.
Verhalten der Medikamente im Körper:Die intravenöse und die orale Anwendung sind wirksam. Meist genügen 1–4 Tagesdosen. Wegen einer möglichen Down-Regulation (Abstumpfung) der Rezeptoren bevorzugt man möglichst lange Dosierungsintervalle.
Unerwünschte Wirkungen:Neben Überempfindlichkeitsreaktionen (vor allem an der Haut) wurden Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle bekannt. Für diese Indikation müssen die Antibiotikaeigenschaften (mit möglichen Resistenzentwicklungen) natürlich als Nebenwirkungen angesehen werden. Die pharmazeutische Entwicklung wird versuchen, Motilin- und Antibiotikaeffekte in Zukunft zu trennen.
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen treten als uncharakteristische Befindensstörungen und Krankheitssymptome auf, etwa bei Gastritis, Ulkuskrankheit, Pankreatitis, bilären und hepatischen Erkrankungen, schweren Kreislaufschwächen (Infarkt), bei Erkrankungen und Traumata des Zentralnervensystems (Erhöhung des intrakraniellen Drucks), bei Kinetosen („Reisekrankheit“), in der Schwangerschaft, bei Intoxikationen, bei Überdigitalisierung, als Medikamentennebenwirkung oder auch ohne fassbaren Grund. Stets stellt sich also die Aufgabe, eine Ursache zu suchen und diese möglichst zu beheben. Daneben steht die symptomatische Therapie mit Prokinetika für den oberen Gastrointestinaltrakt (s.o.) und mit Antiemetika (= Medikamenten, die das Brechzentrum dämpfen) im engeren Sinne. Hinzu kommt – ergänzend oder alternativ – die Magen-/Duodenalsonde zur Entlastung des oberen Verdauungstrakts.
Medikamente zur Dämpfung des Brechzentrums
Antihistaminika (Histamin1-Rezeptoren-Blocker)Diphenhydramin (Emesan), Dimenhydrinat (Vomex A), Meclozin (Bonamide), Promethazin (Atosil)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Antihistaminika unterdrücken durch direkten Einfluss auf das Brechzentrum im Gehirn Übelkeit und Erbrechen. Die obligate Sedierung, am stärksten beim Promethazin, aber auch beim Diphenhydramin, wird man je nach der klinischen Situation als erwünscht oder als unangenehme Nebenwirkung auffassen. Weitere Nebeneffekte (wie Mundtrockenheit) resultieren aus den Antimuskarineigenschaften dieser Substanzen.
Antimuskarinika (Anticholinergika)Scopolamin (Scopoderm TTS Membranpflaster, Scopolaminum hydrobromicum)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Auch zentral wirkende Antimuskarinika unterdrücken Übelkeit und Erbrechen. Für die Reisekrankheit (Kinetose) eignet sich besonders die transdermale Applikation von Scopolamin. Wenigstens 4 Stunden vor der Bewegungsbelastung eingesetzt, wirkt das Pflaster über etwa 72 Stunden. Als Nebenwirkung verzeichnet man häufig eine Sedierung, äußerst selten psychotische Reaktionen, oft Mundtrockenheit, gelegentlich Sehstörungen.
NeuroleptikaTriflupromazin (Psyquil), Droperidol (Dehydrobenzperidol), Haloperidol (Haldol)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Auch Neuroleptika (S. 392) dämpfen das Brechzentrum. Sedierung, geänderte Wahrnehmung und extrapyramidalmotorische Störungen lassen sie für viele Fälle banaler Übelkeit als ungeeignet erscheinen. Beim zytostatikainduzierten Erbrechen oder perioperativ leisten sie auch in der antiemetischen Indikation gute Dienste.
Serotoninantagonisten (5-Hydroxytryptamin3-Rezeptor-Antagonisten)Dolasetronmesinat (Anemet), Granisetron (Kevatril), Tropisetron (Navoban), Ondansetron (Zofran)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Auch diese Antiemetika beschleunigen etwas die Magenentleerung, wirken aber bevorzugt zentral und gelten als stärkste Antiemetika, geeignet für die Behandlung tumor- bzw. zytostatikainduzierten Erbrechens.
Obstipation
40–60% der Erwachsenen leiden unter der Darmfunktionsstörung Obstipation, dauerhaft oder zumindest häufig. Gar nicht so selten verbirgt die Klage über eine Verstopfung psychische Probleme oder eine Depression und verlangt dann natürlich einen ganz anderen therapeutischen Zugang. In manchen Fällen bleiben nur Abführmittel zur Behebung der psychischen und vegetativen Last einer Obstipation. Zudem gibt es klare medizinische Indikationen für eine Therapie mit Laxantien ( Tab. 16.2 ):
akute Erkrankungen |
MyokardinfarktLungenembolietiefe Venenthrombosehypertensive Kriseschwere respiratorische Insuffizienz |
chronische, zumeist immobilisierendeErkrankungen |
SchlaganfallParkinsonsyndromMultiple SkleroseGebrechlichkeit,hochgradige Pflegebedürftigkeit |
mechanische (anders nicht angehbare)Passageprobleme |
Stenosen des Darms,Hämorrhoidalleiden, Analfissur, |
funktionelle (anders nicht angehbare)Passageprobleme |
diabetische Neuropathie,habituelle Obstipation, |
unvermeidliche Medikamentennebenwirkungen |
unverzichtbare Medikation ( Tab. 16.3 ), |
diagnostische und therapeutischeAnliegen |
Vorbereitung zur endoskopischen oderradiologischen Diagnostik oder zurOperation. |
Medikamente |
Opiate |
Antidepressiva, Neuroleptika, Sedativa |
Antiparkinsonmedikamente |
Histaminantagonisten, Vertigonosa, Antiallergika |
Antazida (mit Magnesium) |
Spasmolytika (Buthylscopolamin) |
Diuretika |
Kalziumantagonisten |
Eisenpräparate |
Laxantien |
Stets jedoch halte man sich die zum Teil ernsten möglichen Nebenwirkungen einer solchen Therapie vor Augen: Flüssigkeits- und Elektrolytverluste, insbesondere eine Kalium- und auch Kalziumverarmung (Herzrhythmusstörungen, Osteoporose), Wechselwirkungen mit der (verschlechterten) Resorption vieler Medikamente, zunehmende Darmträgheit (Laxantienabhängigkeit). Glücklicherweise verbirgt sich hinter einer Obstipation nur selten eine organische Ursache (Stenose, Tumor, diabetische Neuropathie). Häufig begleitet eine Divertikulose (mit der Gefahr einer akuten Divertikulitis, leicht zu verwechseln mit den „üblichen Verstopfungsproblemen“) die Darmträgheit. Der ärztlichen Diagnostik und Beratung und der pflegerischen Betreuung und „Erfolgskontrolle“ kommt daher, noch vor dem scheinbar so einfachen Griff zum Medizinschrank, hohe Bedeutung zu.
Praktischer Hinweis:Oft lassen sich Verstopfungsprobleme ohne Laxantien ( Tab. 16.4 ) beheben, durch Aufklärung und Information über eine normale Darmtätigkeit, durch Verhaltensänderungen (Vermeidung von Stuhlverhalt, Eintrainieren bedingter Reflexe), durch ausreichende Trinkmengen, durch schlackenreiche, faserreiche Kost, durch gesteigerte körperliche Aktivität, durch die Vermeidung obstipierender Medikamente ( Abb. 16.3 , s. Tab. 16.3 ). Pflegekräfte und Ärzte können sich in diesem Sinne gleichermaßen einbringen.

Abb. 16.3 Mechanismen der Obstipation und therapeutische Einflussnahme durch gesunde Ernährung. Als Orientierung für eine gesunde Ernährung gilt die Ernährungspyramide: Schlackenreiche Kost (basisnah) als Ernährungsgrundlage, kalorienreiche Kost (spitzenwärts) als Ausnahme: Das hält den Darm aktiv und die Figur in Form.
Substanzgruppe |
Wirkmechanismus |
Probleme |
Wirkungseintritt |
Effekt |
|
Ballaststoffe, Quellmittel, Leinsamen, Weizenkleie, Flohsamen |
Wasserbindung, Quellung, Dehnung der Darmwand, Steigerung der Peristaltik |
ungenügende Trinkmenge, Verklumpung, Ileus, bakterieller Abbau: Meteorismus |
1–3 Tage |
weicher Stuhl |
|
Zucker, Zuckeralkohole (sweet lavage) |
nicht resorbierbare Kohlenhydrate |
osmotischer „Wassersog“, Dehnung der Darmwand, Steigerung der Peristaltik |
bakterieller Abbau: Meteorismus, Bakterienwachstum: Dosissteigerung nötig |
1–3 Tage (als sweet lavage: wenige Stunden) |
wässriger Stuhl |
Natriumsulfat, Magnesiumsulfat, (saline lavage) |
nicht resorbierbare Ionen |
Wasser- und Elektrolytverlust, Magnesiumüberladung bei renaler Insuffizienz |
1–3 Stunden |
wässriger Stuhl |
|
Polyethylenglykol |
nicht resorbierbares Makromolekül |
selten abdominelle Schmerzen |
1–3 Tage |
weicher Stuhl |
|
Anthranoide: Senna, Cascara, Frangula |
vorwiegende Kolonstimulation |
Prostaglandinsynthese gefördert: Peristaltik gefördert, Natrium-Kalium-ATPase gehemmt: Ausstrom von Chlorid und Wasser gefördert |
Melanosis coli (Darmwandverfärbung ohne Krankheitswert, bei Anthranoiden) abdominelle Schmerzen, Flüssigkeitsverlust, Kaliumverlust: Förderung der Obstipation, Herzrhythmusstörungen |
8–12 Stunden |
weicher bis breiiger Stuhl |
Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Phenolphthalein |
vorwiegende Dünndarmstimulation |
6–8 Stunden weicher bis breiiger |
Stuhl |
||
Rizinusöl |
chemische Darmwandreizung, Förderung der Sekretion, Verhinderung der Wasserresorption im Dünndarm |
drastische Wirkung, abdominelle Schmerzen |
1–3 Stunden |
wässriger Stuhl |
|
Paraffin |
Gleitmittel |
Inkontinenz, Fremdkörpergranulome |
1–2 Tage |
weicher Stuhl |
|
Einläufe |
Erweichen von Stuhlmassen, Dehnungsreiz, Auslösung des Defäkationsreflexes |
unwirksam bei ungenügender Einwirkzeit (Sphinkterschwäche), Wirkungsverlust (Gewöhnung), Verletzungen (Hämorrhoiden) |
30 Minuten |
weicher Stuhl |
Therapie mit Quellmitteln und Ballaststoffen
Weizenkleie (Kleie 2000 mg), Psylliumhülsen (Psyllium Kneip), Karaya-Gummi (Puraya), Leinsamen, Methyzellulose, Agar-Agar
Wirkungsweise:Quellmittel und Ballaststoffe erhöhen das Stuhlvolumen, sie halten Wasser im Stuhl zurück und weichen ihn so auf. Dies erlaubt geringere intraluminale Drücke im Rectosimoid und erleichtert Symptome (wie beschwerlichen Stuhlabgang).
Unerwünschte Wirkungen:Durch die Stimulation der Peristaltik empfinden die Patienten bisweilen Schmerzen. Ein überschießender Effekt bedeutet Durchfälle. Flüssigkeits- und Elektrolytverluste können Schwächezustände, Thromboseneigung, Kaliummangel mit seinen üblichen Folgen (wie Herzrhythmusstörungen), darunter verstärkte Darmträgheit (und dauernde Laxantienbedürftigkeit), hervorrufen. Derartig ernste Nebeneffekte treten bei diesen eher verhaltenen Laxantien freilich nur selten auf. Häufiger belästigen Blähungen die Patienten. Ballaststoffe resorbiert der Dünndarm nicht. Sie gelangen ins Kolon, wo sie von Bakterien angedaut werden, wodurch belästigende Gase entstehen. Ballaststoffe wirken nur bei ausreichendem Flüssigkeitsangebot laxierend. Fehlt dies, so verklumpen sie bis hin zur Darmverlegung. Wie andere Laxantien können auch Faser- und Ballaststoffe die Resorption von Medikamenten beeinträchtigen.
Therapie mit Gleitmitteln
Paraffinöl (Obstinol mild), Glyzerol (Babylax, Glycilax)
Wirkungsweise:Gleitmittel üben einen Schmiereffekt aus. Sie machen den Stuhl geschmeidiger. Glyzerol, als Suppositorium, Klistier oder Einlauf, erleichtert die Defäkation bei eingedicktem Stuhl. Hier kommt aber auch der wasserziehende (osmotische) Effekt des Glyzerols zum Tragen. Darmbakterien können überdies Glyzerol verarbeiten. Es entsteht Kohlendioxid, das den Enddarm dehnt und für einen zusätzlichen Defäkationsreiz sorgt.
Unerwünschte Wirkungen:Paraffinöl führt zu Fremdkörpergranulomen, deren schädigende Wirkung auf den Organismus nicht genau bekannt ist. Eine Aspiration bei der Einnahme kann eine Aspirationspneumonie nach sich ziehen.
Therapie mit stimulierenden Abführmitteln
Rizinusöl (Laxopol), Bisacodyl (Dulcolax), Natriumpicosulfat (Laxoberal), Phenolphthalein (Agarol, Obstinol: Kombinationen mit Paraffinöl), Anthrachinonderivate (Liquidepur, X-Prep), Gallensäuren
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Bisacodyl und Phenolphthalein sowie Natriumpicosulfat beeinträchtigen die Rückresorption von Elektrolyten und Wasser im Kolon, vermehren so das Volumen des Stuhls, vermindern seine Konsistenz und verstärken seine Ausscheidung. Anthrachinone und Bisacodyl aktivieren zusätzlich den Nervenplexus der Kolonwand und fördern auf diese Weise direkt die Darmmotilität. Gallensäuren beschränken – physiologisch und als Therapeutika (vielen „Verdauungspräparaten“ zugesetzt) – die Flüssigkeitsrückresorption im Kolon.
Rizinusöl verhindert die Wasserresorption schon im Dünndarm und fördert auch dort bereits die Peristaltik.
Unerwünschte Wirkungen:Eine Schwarzfärbung der Darmschleimhaut (Melanosis coli) durch die Anthrachinonderivate besitzt keinen Krankheitswert. Ein aktiver Metabolit dieser Substanz kann jedoch über die Muttermilch in den Säugling gelangen und bei ihm zu Durchfall führen. Bei Laxanzien, die Anthrachinonderivate enthalten, kann sich der Urin rot färben. Wie fast alle Laxanzien beeinträchtigen auch diese, vor allem die Anthrachinone (durch die Verkürzung der Passagezeit), die Resorption von Medikamenten. Zahlreiche Präparate verursachen allergische Reaktionen. Gerade die starken Laxanzien rufen in besonderem Maße Bauchgrimmen sowie Flüssigkeits- und Elektrolytdefizite hervor. Wegen ihrer drastischen Wirkung dürfen diese Substanzen nicht über längere Zeit eingenommen werden. Sie bleiben besonderen klinischen Situationen vorbehalten (z.B. der Vorbereitung auf Operationen oder Untersuchungen). Selbst die „physiologischen“ Laxanzien sind nicht nebenwirkungsfrei: bisweilen steigen die Leberwerte an.
Therapie mit salinischen und osmotischen Abführmitteln
Laktulose (Bifiteral), Sorbit, Mannit, Glyzerin, Magnesiumsulfat, Natriumsulfat, Natriumhydrogenkarbonat, Natriumdihydrogenphosphat, Natriummonohydrogenphosphat, Polyethylenglykol-Elektrolytlösung (Golytely), Magrocol (Movicol, Movicleau)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Bei den salinischen und osmotischen Abführmitteln handelt es sich um Stoffe, die nicht (oder nicht schnell genug) resorbiert werden können. Durch ihre Wasserbindungsfähigkeit halten sie Flüssigkeit im Darmlumen zurück und erzeugen einen dünnen Stuhl. Sorbit und Glyzerin sowie Salze (Natriumhydrogenphosphate) stehen als Klistiere zur Verfügung und lösen harte Stuhlmassen im Rektosigmoid auf. Sorbit und Mannit lassen sich auch oral anwenden, ebenso Magnesiumsulfat und Natriumsulfat. Sie gelten bei entsprechender Dosis als drastische Abführmittel. Die Polyethylengylkol-Elektrolytlösung dient heute zumeist als Standardvorbereitung für Koloskopien und Darmoperationen. Schnell getrunken wird die Lösung kaum resorbiert; die Elektrolytzusätze halten die Elektrolytbilanz ausgeglichen. Magrocal setzt auf ein ähnliches Wirkprinzip, entzieht das nötige Wasser aber dem Körper und eignet sich daher als „Alltags“ abführmittel, bzw. kommt als Drastikum mit einer geringeren externen Flüssigkeitsbelastung aus als das Basispolyethylenglycol. Laktulose, ein nicht resorbierter Zweifachzucker, verdünnt ebenfalls auf osmotischem Weg den Stuhl. Er senkt zudem erhöhte Blutammoniakspiegel und besitzt daher eine Zusatzindikation bei schweren Leberschädigungen.
Unerwünschte Wirkungen:Die Anwendung starker Abführmittel wird oft als subjektiv unangenehm, zum Teil als kolikartig schmerzhaft und durch die häufigen Stuhlentleerungen als belastend empfunden. Auf die Folgen des Flüssigkeits- und Elektrolytentzugs (und die Notwendigkeit der Substitution) wurde schon hingewiesen. Setzt man große Flüssigkeitsmengen als Zucker- oder Salzlösung (sweet lavage, saline lavage) ein, so könnte sich, bei zu langsamer Zufuhr und nennenswerter Resorption in den Kreislauf, eine Flüssigkeitsüberladung (mit kardialer Dekompensation) einstellen. Sowohl die Zuckerlösungen (Sorbit gehört chemisch streng genommen zu den Alkoholen, biologisch zu den Zuckern) als auch die Salzlösungen schmecken nicht gut (Geschmackskorrigenzien dürfen zugesetzt werden) und können zu Übelkeit und Erbrechen führen.
Erkrankungen mit dem Leitsymptom Diarrhöe
Durchfallerkrankungen (Diarrhöen) stellen das Leitsymptom für eine ganze Reihe gastrointestinaler Krankheiten dar:
-
unspezifische Nahrungsmittelunverträglichkeit,
-
Nahrungsmittelallergie,
-
angeborene und erworbene Enzymdefekte (Laktoseintoleranz, Sprue, Morbus Whipple),
-
durch Toxine (in verdorbenen Nahrungsmitteln, bakterielle) ausgelöste Diarrhöe,
-
durch Hormone ausgelöste Diarrhöe (Karzinoid u.a.),
-
parasitär ausgelöste Diarrhöe,
-
infektiöse Enteritis (viral, bakteriell, durch Einzeller [Amöben]),
-
nicht infektiöse Enteritiden (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Strahlenkolitis, ischämische Kolitis),
-
Kurzdarmsyndrom,
-
chologene Diarrhöe (bei Ileumerkrankungen, nach Ileumresektionen),
-
Dumping-Syndrom (nach Magenresektionen),
-
Pankreasinsuffizienz,
-
falsche Diarrhöe bei (Tumor-)Stenosen.
Diese sicher noch nicht vollständige Auflistung verdeutlicht die dringende Notwendigkeit einer ursächlichen Abklärung.
Zunehmende Bedeutung erlangt leider eine iatrogene Diarrhöe: manchmal nur eine unspezifische Darmirritation, eher eine bakterielle Fehlbesiedlung des Darms unter Antibiotikatherapie – mit harmlosen Keimen, immer häufiger aber auch mit gravierenden Folgen bis hin zu einer schleimhautnekrotisierenden Kolitis (pseudomembranöse Kolitis, zumeist durch Clostridium difficile).Dies mahnt zu kritischem Umgang mit Antibiotika.
Akute Durchfallerkrankungen bessern sich oft schon nach wenigen Tagen einer Nahrungskarenz mit oralem, in schweren Fällen parenteralem Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Auch die meisten infektiösen Enteritiden heilen unter solchen allgemeinen Maßnahmen ab. Die ursächliche Therapie richtet sich ansonsten nach der Grunderkrankung ( Abb. 16.4 ). Stoffwechseldefekte und seltene Allergien bedürfen einer diätetischen Therapie, die die unverträgliche Substanz nicht enthält.
Die allgemeine Bezeichnung für Mittel gegen Durchfall lautet Antidiarrhoika.
Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten
Glukose – Natriumchlorid – Natriumzitrat – Kaliumchlorid und ähnliche Zusammensetzungen (Elotrans, Oralpädon, Saltadol)
Soweit nicht Übelkeit und Erbrechen als Zusatzsymptom vorliegen, kann der Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten durchaus auf oralem Weg erfolgen. Die entsprechenden Pulver oder Tabletten werden in abgekochtem, abgekühltem Wasser oder Tee aufgelöst und langsam schluckweise getrunken. Genügt dies nicht, so wird die orale Zufuhr durch eine Infusionstherapie ergänzt oder ersetzt. Das Allgemeinbefinden bessert sich, Kräfte für die Selbstheilung können wieder mobilisiert werden.
Praktischer Hinweis:Eine ähnliche Zusammensetzung wie die zur Diarrhoemedikation gedachten Lösungen weisen „Sportdrinks“ auf: leicht resorbierbare Kohlenhydrate und Mineralstoffe. Eine vergleichbare Mischung erhält man auch mit einer Reiswassersuppe: Reis gekocht in Salzwasser. Mit zunehmender Rekonvaleszenz darf in dem zu löffelnden Reiswasser immer mehr Reis verbleiben und zugeführt werden. Dem Geschmack gerader junger Patienten kommt Cola entgegen; doch soll der Sprudeleffekt (Kohlensäure), wegen der möglichen Darmdehnung, schon abgedampft (oder „herausgerührt“) sein. Als einziges „Standardgetränk“ liegt Cola nämlich im alkalischen Bereich und gleicht daher den Basenverlust durch Durchfälle aus. Bald schon werden zusätzlich Salzstangen vertragen. Diese „Hausmittel“ der Durchfallsbehandlung wirken, weil die Glukose-Natrium-Pumpe von allen Resorptionssystemen am längsten funktionstüchtig bleibt. Die pflegerische Betreuung von Diarrhoepatienten sollte sie nutzen.
Ruhigstellung des Darms
Opiumtinktur, Loperamid (Imodium), Diphenoxylat-Atropin (Reasec), Kodein (Codicept)
Wirkungsweise:Bei der Diarrhöe ist die Peristaltik verstärkt und die Magen-Darm-Passage beschleunigt. Morphin und seine Derivate – auch Loperamid und Diphenoxylat sind davon abgeleitet – verstärken die Darmkontraktionen, unterbrechen aber die propulsive Koordination und verlangsamen somit die Passage. Der Tonus des gesamten Darms und speziell der des Kontinenzorgans Rektum erhöht sich. Die verlängerte Passagezeit erleichtert eine gründlichere Rückresorption von Flüssigkeit und Elektrolyten. Die Rückresorption von Natriumchlorid wird aber auch direkt stimuliert. Bei zusätzlich starken Schmerzen bietet Kodein, in schweren Fällen auch die Opiumtinktur, Vorteile.
Unerwünschte Wirkungen:Die reinigende Funktion des Durchfalls entfällt. Beimengungen von Blut und Schleim, Fieber über 39°C und Diarrhöedauer über mehr als 3 Tage gelten als Kontraindikationen. Bei schweren Darminfektionen mit Bakterien oder Amöben, bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa könnte ein Umschlagen in das Bild eines Ileus oder eines toxischen Megakolon provoziert werden; auch für diese Erkrankungen werden opioidartige Antidiarrhoika nicht empfohlen. Die Möglichkeiten des Missbrauchs der Tinctura opii liegen auf der Hand. Codein erscheint in dieser Hinsicht etwas weniger problematisch. Loperamid besitzt nur noch schwache zentrale Wirkungen: Es kann in hohen Dosen zu Übelkeit und Müdigkeit kommen. Beim Diphenoxylat-Atropin stehen als Nebenwirkungen Atropineffekte wie Mundtrockenheit im Vordergrund.
Bindung von Wasser
Psyllium (Mucofalk), Methylzellulose
Ähnliche Präparationen werden für die Behandlung der Obstipation angeboten. Lässt man das zusätzliche externe Flüssigkeitsangebot (wie für die Obstipationsbehandlung unentbehrlich) entfallen, so binden diese hydrophilen Stoffe Wasser und erhöhen die Konsistenz des Stuhls und lindern so Durchfallbeschwerden. Zusätzlich binden sie Gallensalze, die die Kolonmotilität fördern. Sie reduzieren aber nicht die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste.
Bindung von Toxinen
Medizinische Kohle (Kohle-Compretten), Koalin-Pectin (Koaprompt-H), Kalziumcarbonat
Wirkungsweise:Adsorbenzien sind Stoffe mit großer Oberfläche. Sie binden im Darm Giftstoffe, die dann über den Darm ausgeschieden werden. Ihre Wirksamkeit bei Durchfallerkrankungen wird vielfach bezweifelt.
Unerwünschte Wirkungen:Leider werden auch Medikamente wie z.B. Digitalispräparate an der Resorption gehindert und ausgeschieden.
Unspezifische Entzündungshemmung
Tanninalbuminat (Tannalbin), Wismutnitrat-Karayagummi (Karaya Bismut), Wismutsubsalizylat
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Tannin- und Wismutpräparate wirken auf die entzündete Schleimhaut adstringierend. Wismut entfaltet zudem antibakterielle Effekte und bindet Toxine und Gallensalze. Wismutpräparate gelten zur Therapie und Prophylaxe der Reisediarrhöe als geeignet. Kommt es zur unerwünschten Resorption, so kann Tannin die Leber schädigen, Wismut zu einer Enzephalopathie führen. Eine Wismuttherapie sollte daher nicht länger als 8 Wochen andauern.
Hemmung der Sekretion und Förderung der Absorption
Clonidin (Catapresan), Nikotinsäure (Niconacid), Verapamil (Isoptin), Azetylsalizylsäure (Aspirin), Indometacin (Amuno), Somatostatin (Stilamin), Octreotid (Sandostatin)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Alle diese Medikamente gelten als relativ neu und noch nicht als definitiv erprobt für die Indikation Diarrhöebehandlung. α2-Agonisten wie Clonidin stimulieren die Absorption und wurden erfolgreich eingesetzt, z.B. bei der diabetischen Neuropathie mit Durchfällen. Nikotinsäure hemmt die Sekretion und ist z.B. bei der Cholera erfolgreich zu nutzen. Kalziumantagonisten fördern die Absorption und behindern die Sekretion; sie werden z.B. beim Postvagotomiesyndrom angewendet. Auch Prostaglandinsynthesehemmer wie Azetylsalizylsäure und Indomethacin beeinflussen Rückresorption und Sekretion, sodass weniger Flüssigkeit verloren geht. Die wohl wichtigste Substanz mit diesem doppelten Wirkmechanismus stellt das Somatostatin, bzw. eine pharmakologische Abwandlung dazu, dar (s.u.).
Behandlung der chologenen Diarrhöe
Cholestyramin (Quantalan), Colestipol (Colestid)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Gelangen Gallensalze vermehrt in den Dickdarm (etwa nach einer Resektion des für die Rückresorption der Gallensalze zuständigen Ileums), so können sie Diarrhöen auslösen. Cholestyramin bindet Gallensäuren, verhindert die Wechselwirkung mit dem Kolon und bessert so chologene Diarrhöen. Der schlechte Geschmack stört viele Patienten erheblich. Als problematisch erweist sich bisweilen die Wechselwirkung (Resorptionsbehinderung) mit anderen Medikamenten (z.B. Phenprocoumon, Digitalis u.a.m.).
Behandlung der pankreatischen Diarrhöe
Eine Fermentsubstitution versucht, eine exokrine Prankreasinsuffizienz wettzumachen (S. 289).
Behandlung von Darminfektionen
Laktulose (Bifiteral)
Wirkungsweise:Die meisten – auch bakteriellen – Enteritiden heilen ohne Antibiotikatherapie ab. Die zur Behandlung benötigten Antibiotika sind auf S. 424 beschrieben. Laktulose senkt den pH-Wert des Darmes ins Saure. Dies bedeutet ein ungünstiges Lebensmilieu für pathogene Darmkeime (besonders für Salmonellen). Harmlose Milchsäurebakterien (Lactobacillus bifidus) werden begünstigt. Die laxierende Eigenwirkung beschränkt die Anwendung.
Behandlung der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind chronische entzündliche Erkrankungen des Darms, manchmal begleitet von hepatobilären Erkrankungen, Arthritiden und Augenentzündungen. Die Colitis ulcerosa beschränkt sich im Darmbefall auf den Dickdarm, der Morbus Crohn kann den gesamen Verdauungstrakt, vorwiegend aber das Kolon und das Ileum („Ileitis terminalis“) betreffen. Bei der Colitis ulcerosa dominieren blutige und schleimige Durchfälle; beim Morbus Crohn treten als Zusatzsymptome (manchmal als Hauptsymptome) Fistelungen und Stenosierungen auf. Schwerste Verläufe, Abszesse, Stenosen, Fisteln oder ein toxisches Megakolon (eine Darmlähmung und Überdehnung bis zur Perforation mit schwerster allgemeiner Entzündungsreaktion), schwere Blutungen und medikamentös refraktäre Verläufe erfordern manchmal die chirurgische Therapie. Im wesentlichen fußt die Behandlung auf konservativ-medikamentösen Maßnahmen, doch sollte man für eine fundierte Therapieplanung den Chirurgen frühzeitig „ins Boot“ nehmen, um Nebenwirkungsrisiken und operative Optionen auch aus seiner Sicht auszuloten und mit dem Patienten zu besprechen ( Abb. 16.5 , Tab. 16.5 ).
Entzündungshemmung: AminosalizylateSulfasalazin (Azulfidine, Colo-Pleon), Mesalazin (Salofalk), Olsalazin (Dipentum), Balsalazin
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Die Aminosalizylate (Tab.16) ähneln der Acetylsalicylsäure und hemmen wie diese die Synthese von Prostaglandinen, zusätzlich die von Leukotrienen, also von Entzündungsmediatoren. Als Fänger von Sauerstoffradikalen greifen sie in die chemischen Abläufe der Entzündungsreaktion ein. Diese Substanzen eignen sich für die Behandlung akuter Krankheitsschübe und für die Remissionserhaltung (letzteres namentlich bei der Colitis ulcerosa).
Verhalten der Medikamente im Körper:Die Aminosalizylate wirken als Lokaltherapeutika. Mesalazin (= 5-Aminosalizylat), der eigentliche Wirkstoff, wird rasch resorbiert und abgebaut. Eine spezielle Verkapselung muss (beim Mesalazin) für eine verzögerte Freisetzung am Ort der Entzündung – im Dünndarm und tiefer – sorgen. Beim Sulfasalazin, der ältesten Substanz dieser Reihe, verhindert die chemische Verbindung mit einem Sulfonamid den vorzeitigen Abbau, beim Olsalazin der Aufbau als 5-Aminosalizyl-Doppelmolekül, beim Balsalazin die Verkoppelung mit einem Trägermolekül. Die bakterielle Spaltung im Kolon und auch schon im distalen Ileum setzt die Wirksubstanz frei. Die Applikation von Sulfasalazin oder Mesalazin als Suppositorium oder Klysma vermeidet viele Nebenwirkungen, erreicht aber nur tiefgelegene Darmabschnitte (Proktitis, Rektosigmoiditis, linksseitige Kolitis). Allerdings kommen die theoretischen Vorteile unterschiedlicher Freisetzungsorte oraler Präparationen nicht so überzeugend zum Tragen und gingen in die Therapieleitlinien nicht ein.
Standardfall |
Problemfall |
|
Therapie der Colitis ulcerosa |
||
akuter Schub |
Aminosalizylate* |
Kortikoide*Zyklosporin (bei Kortikoidproblemen) |
fulminanter Schub |
Kortikoide intravenös;Infusionstherapie |
Zyklosporin (Takrolimus?),Operation (Antibiose nurbei Infektion) |
chronisch aktiver Verlauf |
Azathioprin, 6-Mercaptopurin,Operation |
Operation, Methotrexat,Tacrolimus |
Remissionserhaltung |
Aminosalizylate |
Azathioprin. 6-Mercoptopurin,Operation, Escherichiacoli Nissle |
Therapie des Morbus Crohn |
||
akuter Schub |
Aminosalizylateileocoekaler Befall: Budesonidoral |
Kortikoide |
chronisch aktiver Verlauf |
Azathioprim, 6-Mercaptopurin |
Methotrexat, Infliximab,Mycophenolatmofatil |
Remissionserhaltung |
Azathioprim, 6-Mercaptopurin,Kortikoide (?)ileokoekaler Befall: Budesonidpostoperativ: Aminosalizylate |
Methotrexat, Infliximab |
Komplikationen |
Stenose: Dilatation, StrukturoplastikAbszess: DrainageFistel allgemein: Antibiotika,Azathioprim, 6-MercaptopurinFistel enterovesikal: Operation |
ResektionOperationInfliximab, Operation |
*distaler Befall: topische Therapie; ausgedehnter Befall: systemische Therapie |
Substanz |
Präparat |
Freisetzungsweise |
Freisetzungsort |
5-ASA |
Pentasa |
kontinuierlich |
Dünndarm |
5-ASA |
Salofalk |
pH-abhängig |
Ileum |
5-ASA |
Asacolitin |
pH-abhängig |
Ileum, Kolon |
S-ASA-5-ASA |
Dipentum |
bakteriell |
Kolon |
5-ASA-Sulfazolidin |
Azulfidine |
bakteriell |
Kolon |
5-ASA |
Salofalk |
lokal (Klysma)lokal (Suppositorium) |
Rektosigmoidlinkes Kolon |
Viele Nebenwirkungen wie Methämoglobinämie, Anämie, Leukopenie und Agranulozytose werden dem nach der Abspaltung resorbierten Sulfonamidanteil zugeschrieben. Daneben treten bisweilen Fieber, Arthralgien, Hauterscheinungen, Übelkeit und Durchfall auf. Auch Fertilitätsstörungen sind (bei Männern) möglich. Bei den sulfonamidfreien 5-Aminosalizylaten treten weniger Nebenwirkungen auf, doch empfiehlt sich auch hier die Kontrolle von Blutbild, Leber- und Nierenwerten.
Entzündungshemmung: GlukokortikoideBetamethason (Betnesol Rectal-Instillation), Hydrokortison Rektalschaum (Colifoam), Prednisolon (Decortin), Methylprednisolon (Urbason), Budesonid (Entocort, Budenofalk),
Wirkungsweise, Anwendungsmöglichkeiten und unerwünschte Wirkungen:Glukokortikoide hemmen auf einer frühen Stufe (Phospholipase) die Synthese von Entzündungsmediatoren und behindern die Immigration immunkompetenter Zellen ins Entzündungsgebiet. Die Glukokortikoide besitzen einen hohen Stellenwert in der Behandlung des Morbus Crohn, da die 5-Aminosalizylate dort oft nicht überzeugen; sie gelten als Reservemedikament bei der Colitis ulcerosa (S. 465). Leider belasten, sofern man sich nicht auf eine lokale Therapie mit Suppositorien und Klysmen beschränken kann, ernste Nebenwirkungen (Osteoporose, Hautatrophie, Stammfettsucht, Striae, Blutzuckeranstieg, Hypertonie) die herkömmlichen Kortikoide (Prednisolon). Im Budesonid steht nunmehr ein besser verträgliches Präparat zur Verfügung. Bei geeigneter Galenik wird die Substanz in der entzündeten Region freigesetzt. Die Leber vermag die resorbierte Wirkstoffmenge weitgehend abzubauen (hoher First-Pass-Effekt) und so den Gesamtorganismus recht gut zu schützen. Eine Dosisaufteilung bringt den First-Pass-Effekt oft noch besser zum Tragen (während sonst ja bei Kortikoiden die Regel der einmaligen Gabe am Morgen gilt). Anlaufzeit bis zum Eintreten des Therapieerfolges und Wirkstärke entsprechen nicht völlig einer Standardkortikoidmedikation, die daher als Initialtherapie oder als Second-Line-Strategie ihre Berechtigung behält.
Entzündungshemmung: Immunsuppression, Immunmodulation6-Mercaptoprin (Puri-Nethol), Azathioprin (Imurek), Methotrexat (Metex), Cyclosporin (Sandimmun), Infliximab (Remicade), Mycophenolatmofatil (CellCept)
Wirkungsweise, Anwendungsmöglichkeiten und unerwünschte Wirkungen:Noch stärker als Kortikoide wirken Merkaptopurin und Azathioprin entzündungshemmend und immunsuppressiv. Sie eignen sich vor allem, chronisch aktive Krankheitsverläufe unter Kontrolle zu bringen und eine Remission zu erhalten. Ihre lange Anlaufzeit bis zur Wirkungsentfaltung nötigt eigentlich immer, akute Schübe zunächst anderweitig abzufangen. Die Verwandtschaft dieser Substanzen mit Zytostatika erklärt ihre knochenmarksdepressorischen Nebenwirkungen. Hinzu kommt die Potenz zur Leberschädigung und die Gefahr, eine Pankreatitis auszulösen. In der Summe erhalten diese Medikamente gleichwohl für die Langzeittherapie den Vorzug gegenüber den Kortikoiden. Das Zytostatikum Methotrexat springt als Reservemittel bei anderweitig refraktärem chronisch aktivemoder rezidivierendem Morbus Crohn ein.
Sandimmun inhibiert den Immunmodulator Interleukin und andere Lymphokine. Es eignet sich als Reservemedikament bei schwersten Verläufen einer Colitis ulcerosa. Als Hauptrisiken gelten eine zunehmende Infektanfälligkeit, die Nephro- und die Hepatotoxizität, die Auslösung einer Hypertonie und eventuell die Verursachung von Tremor und Krampfanfällen. Spiegelbestimmungen helfen, die Therapie zu überwachen. Als weitere Lymphozytenblocker stehen Tacrolimus für die Colitis ulcerosa und Mycophenolatmofatil für den Morbus Crohn zur Verfügung, als ultima ratio und noch nicht mit etabliertem Stellenwert in einem üblichen Therapieplan.
Infliximab greift als Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor ebenfalls tief in die Basismechanismen von Entzündung und Gewebedestruktion ein. Es bessern sich oft anderweitig therapierefraktäre Crohn-Erkrankungen; selbst Fisteln schließen sich in vielen Fällen. Bei wiederholten Therapien, vor allem nach einer Pause von mehr als 8–14 Wochen können schwere Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. Die Infektabwehr liegt unter dem Medikamenteneinfluss darnieder. Als Kontraindikationen gelten daher eine frühere oder aktive Tuberkulose, sonstige manifeste Infektionen, aber auch eine schwere Herzinsuffizienz, eine Schwangerschaft, Tumorleiden, lymphoproliferative Erkrankungen, ein systemischer Lupus erythematodes, eine Urtikaria und die multiple Sklerose.
AntibiotikaMetronidazol (Clont), Ciprofloxacin (Ciprobay), Ampicillin (Pen-Bristol), Mezlocillin (Baypen)
Wirkungsweise und unerwünschte Wirkungen:Bei toxischen Verläufen (Megakolon) nützt eine Antibiose bei einer bakteriellen Überlagerung. Auch perioperativ wird man den Patienten antibiotisch abdecken, ebenso bei Abszessen (wenn hier auch der Drainage erste Bedeutung zukommt). Eine Sonderrolle nimmt Metronidazol ein, mit starker Wirksamkeit vor allem im gramnegativen Bereich und einem zusätzlichen immumsuppressiven Effekt. Es wird beim Morbus Crohn, vor allem beim Vorliegen von Fisteln, eingesetzt. Als Nebeneffekte treten metallischer Geschmack, Übelkeit und Neuropathien auf.
Funktionelle abdominelle Beschwerden
Oberbauchschmerzen, Völlegefühl, Aufstoßen und Übelkeit, Beschwerden ähnlich einer Ulkuskrankheit, treten immer wieder selbst ohne fassbare organische Ursache auf (daher auch non-ulcerative dyspepsia genannt), ähnlich wie Blähungen, diffuse abdominelle Schmerzen, Verstopfung oder Durchfälle (Reizdarmsyndrom). Therapeutisch kommen Prokinetika, Spasmolytika oder Entblähungsmittel in Betracht. Die Diät orientiert sich vorwiegend an der persönlichen Erfahrung des Patienten und vermeidet individuell bekannte Beschwerdeauslöser, also zumeist blähende Speisen. Seltener als gemeinhin vermutet liegen Nahrungsmittelallergien vor. Psychotherapeutische und psychopharmakologische Maßnahmen helfen bisweilen, mit diesen Leiden besser zurechtzukommen.
Prokinetika
Metoclopramid (Paspertin), Domperidon (Motilium)
Diese Medikamente beschleunigen die Magenentleerung und die Perstaltik im oberen Verdauungstrakt und bessern oft die Beschwerdesymptomatik (S. 387).
Entblähungsmittel
Simethicon (Endo-Paractol, Lefax), Dimethicon (Ceolat)
Die Medikamente verändern die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, sodass sich nicht so leicht Gasblasen ausbilden. Einige Patienten erfahren dadurch eine Linderung ihrer Beschwerden. Im Rahmen einer Endoskopie gegeben verbessern diese Entschäumer von Verdauungssäften die Sicht und erleichtern eine Untersuchung. Sie werden nicht resorbiert. Ernste Nebenwirkungen treten nicht auf.
Antiallergika
Chromoglyzinsäure (Colimune)
Der Mastzellenstabilisator soll allergische Reaktionen des Verdauungssystems unterdrücken und erzielt bei einigen Patienten Erfolge. Bei echten Allergien müsste eine strenge Diät nach Austestung dieses Bemühen natürlich unterstützen.
Ballaststoffe, Quellstoffe
Weizenkleie (Kleie 2000 mg), Plantago-Samenschalen (Mukofalk
Ballaststoffe regulieren bei einem Colon irritabile (Reizdarm) oft Stuhlfrequenz und –konsistenz und lindern so Beschwerden. Diesen Therapieansatz würdigen die Ausführungen auf S. 254 in angemessenem Umfang.
Spasmolyse
Atropin, Mebeverin (Duspatal), Butylscopolamin (Buscopan), Methylscopolamin (Holopon), Methantelin (Vagantin), Propantelin (Corrigast), Papaverin (Optenyl), Moxaverin (Certonal), Nitroglyzerin (Nitrolingual),Isosorbiddinitrat (Isoket), Nifedipin (Adalat), Glukagon
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Atropin (die ursprüngliche Mustersubstanz dieser Gruppe) und verwandte Stoffe (Mebeverin, Methylscopolamin, Butylscopolamin, Methantelin, Propantelin) wirken an Muskarinrezeptoren als kompetitive Antagonisten des parasympathischen Überträgerstoffs Azetylcholin. Sie setzen den basalen Tonus der glatten Muskulatur der Abdominalorgane herab und unterdrücken Kontraktionswellen. Sie können Spasmen und Koliken beheben. Papaverin und Moxaverin relaxieren die glatte Muskulatur direkt (nicht über antivagale Effekte). Organische Nitrate (wie Nitroglyzerin und Isosorbiddinitrat, S. 134) erschlaffen nicht nur die Gefäßmuskulatur, auch Ösophagusspasmen oder Gallenkoliken lassen sich günstig beeinflussen. Der Kalziumantagonist Nifedipin (S. 140) behauptet (neben seinen Kreislaufindikationen) auch einen Platz in der Therapie von Ösophagusverkrampfungen. Der physiologische Wirkstoff Glukagon relaxiert im Magen-Darm-Trakt. Dies ist bei Ösophagusspasmen, vor allem aber bei diagnostischen Eingriffen von Nutzen.
Verhalten der Medikamente im Körper:Atropin wird gut resorbiert und wirkt etwa 4 Stunden. Die orale Verfügbarkeit für Methylscopolamin und Butylscopolamin fällt schlechter aus (parenterale oder rektale Applikation bieten sich oft an), die Wirkdauer liegt für Methylscopolamin bei 4, für Buthylscopolamin bei 8 Stunden. Für Mebeverin (für die orale Anwendung) werden 8-stündige Dosierungsintervalle empfohlen. Methantelin und Propantelin wirken etwa 6 Stunden lang. Moxaverin wird besser resorbiert als Papaverin (und steht auch für die parenterale Anwendung zur Verfügung). Beide Substanzen können – abhängig von der Symptomatik 1–3 Mal täglich gegeben werden. Glukagon kann nur parenteral angewandt werden.
Unerwünschte Wirkungen:Wegen Mundtrockenheit und Tachykardie haben die modernen Antimuskarinika Atropin in der Spasmolyseindikation abgelöst. Als Nebenwirkungen sind hier noch gelegentlich Akkomodationsstörungen geblieben – und die Kontraindikation Glaukom! Auch Miktionsstörungen können auftreten. Papaverin und Moxaverin relaxieren auch die Gefäßmuskulatur mit Kopfschmerzen und Blutdruckabfällen als möglichen Problemen. Alle Spasmolytika können den Darm lähmen und einen paralytischen Ileus herbeiführen, ein Problem, das sich etwa bei unklarem Abdomen stellt, wenn eine ernste Grunderkrankung also für harmlos angesehen und spasmolytisch behandelt wird. Glukagon erhöht (als Insulingegenspieler) die Blutzuckerwerte, doch bereitet dies, da es kaum je als Langzeittherapeutikum nötig ist, praktisch keine Schwierigkeiten.
Divertikulose
Es empfiehlt sich zumeist eine schlackenreiche Kost, bisweilen die Nahrungsergänzung durch Ballast- und Quellstoffe. Akute Beschwerden bessern sich zumeist unter Nahrungskarenz, unter leichter Kost oder durch Spasmolytika. Die Divertikelentzündung indes bedarf intensiver Bemühungen: der antibiotischen Abdeckung, der Analgesie, der Nulldiät unter Infusionstherapie, der Dekompression durch eine Magensonde und stets der chirurgischen Mitbetreuung, um eine akute Operationsindikation (Perforation, Abszess) nicht zu übersehen – wie denn überhaupt nur die Resektion der divertikeltragenden Darmabschnitte die Divertikelkrankheit zu heilen vermag.
Therapie der Magen-Darm-Atonie und des paralytischen Ileus
Magen-Darm-Atonie und Darmparalysen treten häufig als Begleitprobleme schwerer Grunderkrankungen auf, z.B. bei Peritonitis, Pankreatitis, Cholezystitis, Cholangitis, Ureterkolik, Diabetesentgleisung sowie in der postoperativen Phase, besonders nach abdominellen Eingriffen. Sie überdauern die Auslösesituation und benötigen meist eine eigenständige Therapie. Auch ein mechanischer Ileus geht letztlich in einen paralytischen Ileus über, muss aber eine mechanische (operative) Lösung erfahren. Rein paralytische Situationen, bisweilen auch unvollständige Obstruktionen (diese oft nur für begrenzte Zeit), sind konservativen, medikamentösen Bemühungen zugänglich. Stets gilt es zu prüfen, ob nicht ein „chirurgischer Ileus“, eine Operationsindikation, bestehe. Zu den wichtigsten nicht-operativen Maßnahmen gehören:
-
Therapie der Grundkrankheit,
-
Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolyt- sowie Säure-Basen-Haushalt, Eiweißsubstitution, parenterale Ernährung,
-
gastrointestinale Entlastung durch eine Magen- bzw. Dünndarmsonde,
-
Darmreinigung und Anregung der Peristaltik durch Einläufe,
-
Schmerztherapie, besonders günstig: Periduralkatheteranästhesie (mit Ausschaltung unerwünschter vegetativer Reaktionen),
-
antibiotische Abschirmung bezogen auf den Einzelfall,
-
endoskopische Kolondekompression bei der Pseudoobstruktion,
-
medikamentöse Anregung der Peristaltik.
Anregung der Peristaltik im oberen Gastrointestinaltrakt
Die Dopaminantagonisten und ihre Fortentwicklungen wurden bereits besprochen (S. 246). Cisaprid mit einer Wirksamkeit bis ins Kolon wäre vielleicht besonders günstig, doch fehlt bisher ein parenterales Handelspräparat.
Hemmung des Sympathikus: Sympatholytika
Dehydroergotamin (Dihydergot), Trifluperidol (Triperidol), Pindolol (Visken), Propranolol (Dociton)
Wirkungsweise:Katecholaminrezeptoren vermitteln am Darm eine Tonisierung von Sphinktern. Alpha- und Betablocker lösen die Motilitätshemmung. Mögliche Nebenwirkungen gilt es, situationsgerecht gegen den erwarteten Nutzen abzuwägen: Gefäßengstellung (Dihydroergotamin), Sedierung (Trifluperidol), Bradykardie, Blutdruckabfall (Pindolol, Propranolol).
Stimulation des Parasympathikus: Cholinergika
Methantelin (Vagantin), Betanechol (Myocholine), Carbachol (Doryl), Neostigmin (Prostigmin), Pyridostigmin (Mestinon), Distigmin (Ubretid)
Wirkungsweise:Azetylcholin, der Überträgerstoff des Vagus, stimuliert die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts und regt die Peristaltik an. Für die therapeutische Anwendung eignet sich diese Substanz nicht (Ausnahme: lokale Anwendung am Auge), da spezifische und unspezifische Cholinesterasen sie rasch inaktivieren. Veränderungen am Molekül (Methantelin, Betanechol, Carbachol) machen es weniger empfindlich gegen die Abbauenzyme und damit nutzbar – als Peristaltika, bei Refluxproblemen (Methantelin, Betanechol) und zur Blasentonisierung (Betanechol, Carbachol). Einen anderen Weg gehen die Cholinesterase-Inhibitoren: Sie blockieren den Abbau des natürlichen Überträgerstoffs; die cholinergen Impulse kommen besser zum Tragen, Blasenentleerung und Darmperistaltik werden angeregt, Ileuszustände oft durchbrochen (und auch die neuromuskuläre Übertragung an der Skelettmuskulatur – bei Myasthenia gravis oder nach Gabe von Muskelrelaxanzien in der Narkose – wird verbessert.
Verhalten der Medikamente im Körper:Methantelin und Betanechol stehen nur für die orale Anwendung zur Verfügung, eignen sich also für manifeste Ileuszustände nicht; Carbachol, Neostigmin, Pyridostigmin und Distigmin lassen sich sowohl oral als auch parenteral applizieren.
Unerwünschte Wirkungen:Leider besitzen diese Substanzen keine große Organ- und Wirkungsselektivität. Abdominelle Krämpfe, Diarrhöen und Blasenspasmen, Übelkeit und Erbrechen ergeben sich aus einer überschießenden Hauptwirkung. Durch die sekretorischen Effekte kommt es zum vermehrten Speichelfluss und eine Ulkuskrankheit kann sich manifestieren. Bronchokonstriktorische Wirkungen verschlechtern eine Asthmaerkrankung. Es können lästige Schweißausbrüche auftreten. Eine Gefäßdilatation bei den direkten Cholinergika führt zu Kopfschmerzen, Hautrötung, Blutdruckabfall und Reflextachykardie. Die Gefäßdilatation fehlt bei den Cholinesterasehemmern (da die Gefäße wohl Azetylcholinrezeptoren, kaum aber vagale Nervenendigungen besitzen); am Herzen überwiegt daher die verstärkte parasympathische Aktivität, unter Umständen mit kritischer Bradykardie und atrioventrikulärer Blockierung. Die möglichen Nebenwirkungen verlangen eine vorsichtige Dosierung und eine gute Patientenüberwachung.
Andere medikamentöse Therapieprinzipien
Panthenol (Bepanthen), Ceruletid (Takus)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Panthenol ist mit den B-Vitaminen verwandt und besitzt eine traditionelle Bedeutung als Peristaltikum, meist in Kombination mit Cholinergika. Ceruletid kontrahiert als Analogon zum Cholezystokinin die Gallenblase. Dies wird z.B. bei der Gallenblasendiagnostik genutzt. Schmerzhafte Koliken können ausgelöst werden. Auch die Darmperistaltik wird oft gefördert.
Leber- und Gallenwegserkrankungen
Zu den wichtigsten Erkrankungen der Leber gehören alkoholische Leberschädigungen und virale Hepatitiden jeweils mit den erschreckenden Endstadien einer Leberzirrhose, vielleicht gar eines Leberzellkarzinoms. Lebererkrankungen bedürfen oft keiner speziellen Therapie, aber einer angemessenen Lebensweise: Meist bedeutet dies Alkoholverzicht. Bei einer Reihe chronischer Lebererkrankungen eröffnen sich neuerdings interessante Therapiemöglichkeiten durch Ansätze einer antiviralen Therapie. Insbesondere die Komplikationen von Lebererkrankungen stellen eine therapeutische Herausforderung dar. Das therapeutische Spektrum reicht von medikamentösen Maßnahmen über den konservativen Eingriff (z.B. Aszitespunktion) bis zur Chirurgie, heute bis zur Lebertransplantation. Erkrankungen der Gallenwege, am häufigsten davon das Steinleiden, bedürfen oft der endoskopischen bzw. internistischen oder chirurgischen Intervention, manchmal der Stoßwellenlithotrypsie und lassen sich in geeigneten Fällen auch durch Medikamente beeinflussen.
Therapieprinzipien bei akuter Virushepatitis
Der Krankheitsverlauf der akuten Virushepatitis lässt sich durch Medikamente nicht entscheidend beeinflussen (sieht man von den intensivmedizinischen Bemühungen beim fulminanten Leberversagen ab). Auf lebertoxische Substanzen – Alkohol, erst recht Drogen – muss der Patient bis zur Ausheilung, am besten noch für ein halbes Jahr danach, verzichten. Bei schwer reduziertem Allgemeinbefinden mit Appetitlosigkeit und Erbrechen stabilisiert oft eine Infusionstherapie die Patienten, beeinflusst die hepatische Seite des Krankheitsablaufes aber nicht, ebenso wenig wie sog. Leberschutzpräparate und Vitaminkombinationen. Die Verordnung von Krankenhauspflege dient der genauen differentialdiagnostischen Abklärung, der besseren Isolation zur Unterbrechung von Infektketten und der frühzeitigen Erfassung und Therapie fulminanter, aggressiver Verlaufsformen.
Praktischer Hinweis:Körperflüssigkeiten, besonders Blut, können eine Hepatitis übertragen ( Tab. 16.7 ). Für die Hepatitis A und E hält die Virämiephase nur sehr kurz vor. Auch die Ansteckungsgefahr durch Urin, mehr noch durch Stuhl, klingt mit dem enteritischen Vorstadium bereits deutlich ab. Für die Hepatitis B und C (aber auch D) bedenke man stets die gar nicht abwegige Möglichkeit einer Koinfektion mit dem AIDS-Virus. Aus diesen Gründen wird man Patienten mit dem begründeten Verdacht auf eine akute virale Hepatitis bis zur Klärung der Diagnose und des Infektiositätsstatus isolieren, ihnen eine separate Toilette zuweisen und ihre Körperflüssigkeiten stets nur mit Schutzhandschuhen versehen versorgen. Die Handschuhpflicht bleibt auch im chronischen Hepatitisstadium bestehen; alle anderen Isolationsmaßnahmen erübrigen sich jedoch in der Regel.
Antivirale Therapie:Bei der akuten Hepatitis scheint der frühzeitige Einsatz einer Interferontherapie die Chronifizierungsrate herabzusetzen. Bei akuter, vital bedrohlich verlaufender – fulminanter – Hepatitis B darf man den Einsatz des Virustatikums Lamivudin erwägen. Bei solch ernsten Verläufen hält das Therapeutenteam Kontakt zu einem Transplantationszentrum.
Impfung: Hyperimmunglobuline für Hepatitis A und B sollten möglichst sofort nach erkannter Exposition verabreicht werden. Ihre Schutzwirkung ist nicht vollständig. Impfstoffe für Hepatitis A und B stehen zur Verfügung (Hepavax). Wie andere Impfungen wirken sie nur prophylaktisch. Die Impfung wird bei privater oder beruflicher Hepatitisexposition empfohlen. Bedenkt man die Mobilität unserer Welt und die vielfältigen Infektionsmöglichkeiten, so ist kaum jemand definitiv auszuschließen. Die Krankenkassen übernehmen nicht obligat die Kosten.
Virus |
Infektionsweg |
Besonderheiten |
Verlaufsformen |
A |
fäkal – oral |
enteritisches Vorstadium |
akut |
B |
hämatogen, venerisch |
gesunde Träger möglich |
akut, chronisch |
C |
hämatogen (venerisch) |
häufig chronisch-träge verlaufend |
akut, chronisch |
D |
hämatogen (venerisch?) |
Superinfektion zu Hepatitis B |
akut, chronisch |
E |
fäkal – oral |
Enteritis, bei Gravidität vital bedrohlich |
akut |
G |
hämatogen? |
wenig erforscht |
akut, chronisch |
Therapiemaßnahmen bei chronischen Hepatitiden
Virushepatitiden vom Typ B und C können chronisch verlaufen, aktiv oder persistierend. (Die Hepatitis D lehnt sich an die Hepatitis B an, mit schlechterer Prognose, die seltene Variante G an die Hepatitis C.) Die antivirale Therapie strebt die Elimination des auslösenden Virus an, zumindest aber eine Eindämmung der Krankheitsaktivität, um ein Fortschreiten zur dekompensierten Zirrhose oder zum Leberzellkarzinom zu verhindern. Oft verlaufen chronische autoimmune Hepatitiden besonders aggressiv. Hier greift der Körper seine eigene Substanz an. Immunsupprimierende Maßnahmen versuchen diesen Schädigungsmechanismus zu unterbinden.
Immunmodulation, antivirale Therapie
Interferon-a2a (Roferon), Interferon-a2b (Intron A), Interferon alfacon 1 (Inferax), pegyliertes Interferon-a2a (Pegasys) Peginteron-a2b (PegIntron)
Hepatitis |
First-Line |
Second Line |
B stabil |
Interferon-⍺ |
Lamivudin (oder Adefovirdipivoxil) |
B fortgeschritten |
Lamivudin |
Lamivudin oder Adefovirdipivoxil |
C |
Interferon-α zumeist pegyliert, allein oder in Kombination mit Ribavirin |
nach Interferonmonotherapie Kombination mit Ribavirin |
qualifizierte Betreuung und Einzelfallentscheidungen unabdingbar; dauerhafte Erfolgsraten um 30% oder weniger (?) |
Interferon benutzt der Körper selbst zur Abwehr viraler Infektionen. Diese – im Gegensatz zu Antikörpern unspezifischen – Immunmodulatoren hemmen die Viruspenetration in die Zelle, die Freilegung des Virusgenoms und die Virusreplikation oder -freisetzung. Als Hauptwirkmechanismus aber gilt die Behinderung der viralen Proteinsynthese. Zudem stimulieren Immunmodulatoren immunkompetente Zellen. Von den antiviral wirksamen Subtypen α, β und ɣ fand das α-Interferon in zwei Varianten, sowie in chemischen Abwandlungen dazu, Eingang in das Therapierepertoire der chronischen Hepatitis. Bisweilen gelingt eine Viruselimination. Oft lässt sich immerhin ein Krankheitsstillstand erreichen. Die Notwendigkeit, Therapieergänzungen oder eine Ausweichtherapie parat zu halten, zeigt, dass der definitive Sieg über diese Viruserkrankungen noch aussteht. Die chemischen Varianten betreffen nicht nur die Wirkungsdauer: Die Hepatitis B spricht besser auf die Basisinterferone an, die Hepatitis C reagiert gut auf die PEG-Interferone, eine refraktäre Hepatitis eventuell auf Interferon alfacon 1.
Verhalten der Medikamente im Körper:Interferone werden parenteral verabreicht. Der Patient soll die subkutane Selbstinjektion erlernen. Die Standardinterferone müssen dreimal wöchentlich bis täglich gegeben werden. Die Ankoppelung von Polyethylenglykol verlängert die Halbwertszeit, sodass eine Injektion in der Woche genügt.
Unerwünschte Wirkungen:Der Körper erlebt entsprechend der biologischen Bedeutung dieser Substanzen eine typische Virusschlacht, eine Beschwerdesymptomatik ähnlich einer Grippe, bisweilen mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Es kann zu einer Knochenmarksdepression kommen. Gewöhnlich steigen die Leberlaborparameter an: Virusbefallene Leberzellen werden eliminiert; für einen Therapieversuch sollte noch eine ausreichende Leberfunktionsreserve zur Verfügung stehen. Unter Interferon neigen die Patienten zu einer Schilddrüsenüberfunktion. Der einfühlsamen Beobachtung und der therapiekritischen Führung bedarf der Patient vor allem wegen möglicher neurologisch-psychiatrischer Probleme mit zerebralen Krämpfen, depressiven Phasen und Suizidgefährdung.
Lamivudin
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Lamivudin führt als Nukleosidanalogon zu Fehlern bei der Virusreplikation und bewirkt so oft eine Viruselimination. Es unterdrückt die Krankheitsaktivität, wirkt aber nicht drastisch und kann daher auch bei ernster vorbestehender Leberschädigung (selbst als verzweifelter Therapieversuch bei fulminanter Hepatitis) eingesetzt werden. Lamivudin eignet sich für die Hepatitis B, nicht für die C-Erkrankung.
Verhalten des Medikaments im Körper:Lamivudin entfaltet seine Wirkung auch bei oraler Zufuhr. In dieser Hinsicht also belasten die Notwendigkeit zur täglichen Gabe und die oft lange Therapiedauer eigentlich nicht.
Unerwünschte Wirkungen:Die gute Verträglichkeit sichert dem Medikament seinen Platz im hepatologischen Therapierepertoire. Leider kommt es durch Virusmutationen zu Resistenzen. Die Hoffnung auf eine Viruselimination nimmt ab; die leidliche Krankheitskontrolle lässt sich länger aufrechterhalten.
Adefovirpivoxidil
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Adefovirpivoxidil bekämpft ebenfalls die Hepatitis-B-Erkrankung. Es schaltet sich als falscher Botenstoff in die Virusreplikation ein. Es ähnelt auch in seinem klinischen Effekt dem Lamivudin, das es bisweilen als Second-Line-Versuch ablösen muss.
Verhalten des Medikaments im Körper:Adeforvirpivoxidil wird oral zugeführt und im Gastrointestinaltrakt in die aktive Substanz Adefovir umgewandelt.
Unerwünschte Wirkungen:Die Substanz zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit selbst bei fortgeschrittener Leberschädigung aus. Die Retentionswerte können unter der Therapie ansteigen. Eine Niereninsuffizienz verlangt nach einer Dosisreduktion.
Ribavirin (Copegus)
Wirkungsweise und Verhalten des Medikaments im Körper:Ribavirin ähnelt den Nukleosidbausteinen der viralen Gensubstanz. In Kombination mit Interferonen wirkt es virustatisch.
Verhalten des Medikaments im Körper:Die Substanz lässt sich oral verabreichen. Eine intrazelluläre Phosphorylierung verwandelt sie in die eigentliche virustoxische Form.
Unerwünschte Wirkungen:Mit der verstärkten Virushemmung nehmen leider auch die Interferonnebenwirkungen zu. Es können Hämolysen auftreten und wegen der teratogenen Eigenschaften von Ribavirin sollten sichere Maßnahmen zur Kontrazeption bis wenigstens sechs Monate nach Therapieende angewandt werden.
Glukokortikoide
Eine gesicherte Indikation besteht bei der aggressiven Autoimmunhepatitis. In der Regel bedarf es einer Langzeittherapie – mit den bekannten Glukokortikoidnebenwirkungen. Budesonid mit seinem hohen First-Pass-Effekt und daher niedrigeren systemischen Spiegeln weist weniger Nebenwirkungen auf.
Immunsuppressiva
Azathioprin (Imurek)
In der Therapie der autoimmunen Hepatitis versucht man, durch Azathioprin Kortisonderivate einzusparen. Die Therapie der autoimmunen Hepatitis mit Zyklosporin, einem weiteren Immunsuppressivum, wird erprobt, bleibt aber Therapieversagern gegenüber dem Standardschema vorbehalten. Dies gilt in gleicher Weise für Therapieversuche mit Zyklophosphamid, einem Zytostatikum.
Therapieprinzipien bei alkoholischer und nichtalkoholischer Fettleber, Hepatitis und Leberfibrose
Eine Voraussetzung jeden therapeutischen Bemühens stellt die Alkoholkarenz dar. Bei schweren akuten alkoholischen Hepatitiden erzielt eine Kortikoidtherapie wahrscheinlich, aber nicht sicher, eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs. Thyreostatika (Propylthiouracil), Glukagon, Insulin und Pentoxyphyllin sowie Antibiotika (Metronidazol) und auch Kolchizin wurden erprobt, ebenso wie Gallensalze (Ursodesoxycholsäure) und erreichten doch nie den Rang einer Standardtherapie. Bei den nicht alkoholischen Leberverfettungen und den assoziierten weitergehenden Leberschädigungen stehen ebenfalls Versuche der Therapie der Grunderkrankung und die diätetische Führung im Vordergrund.
Therapieprinzipien bei Leberzirrhose und bei chronischem und akutem Leberversagen
Die Leber besitzt eine große Regenerationsfähigkeit. Bei akuten schweren Leberschädigungen (fulminantes Leberversagen) gilt es daher, Zeit zu gewinnen und Stoffwechseldefekte zu überdrücken, bis die Selbstheilungskräfte zum Tragen kommen. Auch chronische Leberschädigungen und Leberzellverluste versucht der Körper regeneratorisch auszugleichen, doch nehmen schließlich bindegewebige Vernarbung (Fibrose) und eine Reduktion der Leberzellmasse, vor allem aber Fehler beim Wiederaufbau der Leber durch das komplizierte Miteinander von Parenchym, Gefäßen und Gallenwegen überhand. Der fehlerhafte Aufbau der Leber dient denn auch als histopathologisches Definitionskriterium der Leberzirrhose. Als besonders kritische Aspekte eines fortgeschrittenen Leberschadens lassen sich herausstellen:
-
herabgesetzte Sekretionsleistung: Anstieg von Bilirubin und Gallensäuren,
-
herabgesetzte Syntheseleitung: Mangel an Eiweißen, vor allem an Albumin und Gerinnungsfaktoren,
-
herabgesetzte Entgiftungsleistungen: Ammoniakanstieg, hepatische Enzephalopathie,
-
portale Hypertension: Aszites, Ösophagusvarizenblutung.
An diesen Punkten setzen wichtige Therapiestrategien an. Als therapeutische Optionen stehen heute medikamentöse (einschließlich einer antiviralen Therapie), endoskopische (bei einer Ösophagusvarizenblutung), interventionell-radiologische (portosystemische Shuntanlagen) und selbst chirurgische Methoden (bis hin zur Lebertransplantation) zur Verfügung.
Senkung erhöhter Gallensäurespiegel
Cholestyramin (Quantalan), Colestipol (Cholestabyl)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Als quälendes Symptom tritt bei (cholestatischen) Lebererkrankungen bisweilen ein belästigender Juckreiz auf, hervorgerufen durch die verminderte Gallensalzausscheidung über den Gallensaft in den Darm und daraus resultierende erhöhte Gallensäureblutspiegel. Geeignete Ionenaustauscher binden Gallensäuren im Darm, verhindern ihre Rückresorption im Ileum, verkleinern den Gallensalzpool und senken damit letztlich auch die entsprechenden Blutwerte. Sie bessern so den anderweitig oft therapierefraktären Pruritus.
Praktischer Hinweis:Über Nacht reichern sich die Gallensalze in der Gallenblase an. Die Hauptdosis, von welcher der der stärkste Effekt erwartet werden darf, erhält der Patient daher morgens. Durch Vermengung mit Milchspeisen (z.B. Quark) lässt sich der schlechte Geschmack (vor allem des Cholestyramins) überdecken.
Unerwünschte Wirkungen:Wechselwirkungen mit Medikamenten können zu Resorptionsstörungen führen. Entfällt die relaxierende Wirkung der Gallensalze auf das Kolon, so kann sich eine Obstipation entwickeln. Bei zu starker Gallensalzverarmung kommt es zu Resorptionsstörungen (für Fette) und zu Durchfällen.
Substitution fettlöslicher Vitamine
Vitamin A, D, E, K (Vita-lipid Adult), Vitamin K (Konakion)
Wirkungsweise:Gallensalze benötigt der Mensch zur Mizellenbildung und damit zur Fettverdauung. Reicht die Sekretionsleistung dafür nicht mehr aus, so verschlechtert sich vor allen Dingen die Resorption fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K). Sie können intramuskulär (ADEKFalk) oder, als Zusatz zu einer Fettinfusion, intravenös verabreicht werden. Die intramuskuläre Gabe verbietet sich natürlich bei schlechten Gerinnungswerten, für die nicht zuletzt Vitamin K eine Rolle spielt. Vitamin K steht zur oralen (bei einer Resorptionsstörung natürlich nicht sinnvoll, wohl aber bei Fehlernährung) und zur intravenösen Applikation zur Verfügung. Vitamin K verbessert die Gerinnungsverhältnisse natürlich nur, wenn die Leber noch in der Lage ist, Gerinnungsfaktoren zu synthetisieren.
Substitution von Eiweißen
Albumin (Humanalbumin 3,5%; 20%), PPSB, Fresh frozen Plasma (FFP), Antithrombin III (Kybernin)
Die Substitution von Gerinnungsfaktoren gewinnt besondere Bedeutung bei Blutungen (Ösophagusvarizenblutung) im Rahmen einer Leberzirrhose. Die Albuminsubstitution bei schwerem Eiweißmangel verbessert oft das Allgemeinbefinden, stabilisiert die Kreislaufverhältnisse und die renale Funktion und hilft, Ödeme und Aszites auszuschwemmen. Gleichzeitig versucht man, enteral oder durch Infusionen, einen schlechten Ernährungszustand zu bessern und eine katabole Stoffwechsellage zu korrigieren.
Therapie der hepatischen Enzephalopathie
Ausgleich des Ungleichgewichts der NeurotransmitterBei fortgeschrittenen Lebererkrankungen besteht im Serum ein Ungleichgewicht zwischen aromatischen (zyklischen) und aliphatischen (verzweigtkettigen) Aminosäuren. Dabei überwiegen die aromatischen Aminosäuren. Sie dienen im Gehirn als Vorstufen von Neurotransmittern, die dämpfend und daher sedierend, ja schlafanstoßend wirken (S. 283). Durch Zufuhr von aliphatischen (verzweigtkettigen) Aminosäuren lässt sich das Gleichgewicht der Aminosäuren und damit auch der Neurotransmitter wieder herstellen. Benommenheit und geistige und feinmotorische Leistungsschwäche sollen sich bessern.
Förderung des HarnstoffzyklusOrnithin (Ornicetil), Arginin (Rocmalat), Ornithin-Aspartat (Hepa Merz), Arginin-Ornithin u.a.m. (Comafusion Hepar)
Ammoniak gilt als wichtiger Serummarker und wohl auch Promoter der hepatischen Enzephalopathie. Die physiologische Ammoniakelimination erfolgt durch die Bildung von Harnstoff in der Leber. Harnstoff wird dann über die Niere ausgeschieden. Durch die Zufuhr von Schlüsselsubstanzen des Harnstoffzyklus versucht man, diesen Stoffwechselweg anzuregen und so Ammoniak auszuschleusen. Die meist notwendigen hohen Dosen erreicht man eigentlich nur über die venöse Applikation (als Infusion).
Senkung der intestinalen Ammoniakproduktion und –aufnahmeLaktulose (Bifiteral), Neomycin (Neomycin), Paromomycin (Humatin)
Wirkungsweise:Der menschliche Körper verwertet den Zweifachzucker Laktulose nicht. Harmlose Laktobazillen ernähren sich jedoch davon, nehmen im Darm überhand und verdrängen ammoniakproduzierende Bakterien. Das Stoffwechselmilieu des Darmes verschiebt sich in den sauren Bereich; dies führt Ammoniak in das schlecht resorbierbare Ammoniumion über und hält es – zur Ausscheidung – im Darmlumen zurück. Auch schwer resorbierbare Antibiotika (Aminoglykoside) wie Neomycin und Paromomycin beeinträchtgen die ammoniakproduzierende Darmflora. Sie wirken sich aber auch direkt auf den Dünndarm aus und senken dort die körpereigene Ammoniakproduktion.
Verhalten der Medikamente im Körper:Beide Substanzgruppen werden oral appliziert. Laktulose eignet sich zudem als Einlauf.
Unerwünschte Wirkungen:Laktulose sollte einschleichend dosiert werden, um schwere Blähungen und starke Durchfälle zu vermeiden. Der stark süße Geschmack wird vielen Patienten bald lästig. Auch die oralen Aminoglykoside können Durchfälle hervorrufen. Vor allem aber muss mit einer geringen Resorption gerechnet werden. Wegen der Otound Nephrotoxizität verbietet sich die Langzeitanwendung.
Einflussnahme auf hemmende NeurotransmitterFlumazenil (Anexate)
Als Teilaspekt des Coma hepaticum findet sich oft ein Anstieg des hemmenden Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Der Benzodiazepinantagonsit Flumazenil stellt sich in vielen Fällen von Coma hepaticum diesem Überträgerstoff entgegen; der Patient klart wieder auf (S. 522).
OsmodiuretikaMannit (Osmofundin)
Bei fortgeschrittenem Coma hepaticum droht ein Hirnödem. Osmodiuretika entziehen den Zellen Wasser und bringen es über die Niere zur Ausscheidung. Problematisch erscheint die Verstärkung der oft ohnedies schon vorhandenen Hyperosmolarität. Nicht immer kann die Niere bei den schwer Leberkranken adäquat ausscheiden (hepatorenales Syndrom).
Therapie des Aszites
Diuretika
Wirkungsweise:Die bindegewebig verhärtete Leber vergrößert den Widerstand im Pfortaderkreislauf. Es kommt dadurch zu einem Rückstau von Blut in die Pfortader und zum Austritt von Flüssigkeit in den Bauchraum. Diese Flüssigkeit nennt man Aszites. Begünstigt wird die Bildung von Aszites zusätzlich noch durch die zirrhosebedingte Hypoproteinämie, die den osmotischen Druck des Blutes vermindert und den Austritt von Wasser in den Bauchraum unterstützt. Häufig findet man Renin- und Aldosteronspiegel erhöht. Dies vermindert die Diurese. Mit der Gabe von Aldosteronantagonisten kann man die Diurese forcieren und den Aszites reduzieren. Die dazu geeigneten Aldosteronantagonisten sind auf S. 127 beschrieben. Meist ist aber ein weiteres Diuretikum notwendig. Wirkt die diuretische Therapie ausreichend, so gilt als ihr Vorteil die Bewahrung des Eiweißes aus dem Aszites.
Unerwünschte Wirkungen:Aldosteronantagonisten verstärken die bei Leberzirrhose ohnedies bisweilen auftretende Gynäkomastie (bei Männern). Diuretika greifen in den bei Leberzirrhose besonders labilen Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt ein (Kalium [Aldosteronantagonisten steigernd, sonstige Diuretika senkend], Hyponatriämie), bewirken oft eine Exsikkose (sieht man von der für den Organismus nicht nutzbaren Aszitesflüssigkeit ab), begünstigen eine renale Insuffizienz und können als Auslösefaktor für eine hepatische Enzephalopathie wirken. Die Aszitespunktion erlebt daher eine gewisse Renaissance. Die Aszitesretransfusion (kombiniert mit Diuretika) erfordert eine Intensivüberwachung. Als chirurgische Alternative kommt die Implantation eines peritoneovenösen Shunts in Betracht.
Therapie des Pfortaderhochdrucks (Ösophagusvarizen)
Terlipressin (Glycylpressin), Ornipressin (Por 8), Somastostatin (Somatostatin Ferring), Nitroglyzerin (Nitrolingual), Propranolol (Dociton)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Die Ösophagusvarizenblutung stellt eine besonders schwere und bedrohliche Komplikation eines fortgeschrittenen Leberleidens dar. Als Therapie der Wahl gilt (in der akuten Phase und auch in der Sekundärprophylaxe) das endoskopische Varizenbanding bzw. die Varizenverödung. Die Kompressionsbehandlung mit Ballonsonden hat heute geringere Bedeutung; die Shunt-Chirurgie beschränkt sich auf Einzelfälle. Vasopressin, bzw. seine Abkömmlinge (Ornipressin und Terlipressin) verengen die Gefäße, besonders im Magen-Darm-Trakt, senken so den Pfortaderdruck und tragen damit oft zur Stillung einer Ösophagusvarizenblutung bei bzw. helfen, Zeit und Sicht für die Verödungstherapie zu gewinnen. Ähnlich korrigieren Somatostatin und seine Abwandlungen einen Pfortaderhochdruck. Auch Nitroglyzerin setzt den Pfortaderdruck (durch venöses Pooling) herab und mitigiert vor allem Nebenwirkungen der Vasopressinanaloga. β-Blocker senken ebenfalls den portalen Druck, über eine Verminderung des Herzminutenvolumens, aber wohl auch über direkte Gefäßeffekte. Sie gewinnen eine gewisse Bedeutung in der Prophylaxe einer Varizenblutung.
Verhalten der Medikamente im Körper:Vasopressin und seine Abkömmlinge werden parenteral appliziert, Ornipressin, wegen seiner kurzen Halbwertszeit im Dauertropf bzw. Perfusor, Terlipressin, mit einer Wirkung über Stunden, in Bolusgaben. Auch Somatostatin und Octreotid wirken (als Peptide) nur parenteral. Nitroglyzerin (als Sublingualspray, als Sublingualkapsel oder im Perfusor) und die β–Blocker (zur oralen Anwendung) sind an anderer Stelle abgehandelt (S. 134, 137).
Unerwünschte Wirkungen:Die Vasopressoren stellen die Peripherie eng, zentralisieren den Kreislauf, belasten das Herz durch die erhöhte Nachlast und reduzieren auch das Koronarlumen. Periphere Kreislaufinsuffizienz, kardiale Dekompensation, Rhythmusstörungen, Angina pectoris und Myokardinfarkt können in der Folge auftreten. Auf die sinnvolle Kombination mit Nitroglyzerin wurde bereits verwiesen. Es reagiert zudem nicht nur auf die glatte Muskulatur der Gefäße, sondern auch der anderen Organe: Darmspasmen, akute Durchfälle, Erbrechen finden sich häufig, asthmoide Luftnot selten. Glyzylpressin mit seiner langsameren Anflutung weist bezüglich der Nebenwirkungen Vorteile auf (doch halten diese auch entsprechend länger an). Nitrolingual kann einen kritischen Blutdruckabfall auslösen. Bei den β–Blockern schränken die zahlreichen unerwünschten Wirkungen und Kontraindikationen die Anwendung ein.
Biliäre Erkrankungen
Medikamentöse Therapieprinzipien bei chronisch destruierender nicht-eitriger Cholangitis/primärer bilärer Zirrhose (CDNC/PBC), primär sklerosierender Cholangitis (PSC)
Beide – seltenen – Gallenwegserkrankungen gelten als autoimmun geprägt, beide können in eine Zirrhose einmünden. Die CDNC nimmt ihren Ausgang an den kleinsten Gallenwegen (Kapillaren), die PSC betrifft zunächst die größeren Gallengänge.
Immunmodulierende Behandlungsstrategien (Kortikoide, Azathioprin, Zytostatika, Zyklosporin) wurden für beide Erkrankungen getestet, doch überwiegen derzeit abwartende Stellungnahmen.
Ursodeoxycholsäure (Ursofalk)
Ursodeoxycholsäure verändert die Gallensaftzusammensetzung (es verdrängt anscheinend toxische Gallensäuren) und zeigt günstige Wirkungen auf den Krankheitsverlauf ohne gravierende Nebenwirkungen.
Therapieprinzipien bei Gallensteinleiden
Nur das symptomatische Gallensteinleiden bedarf einer Therapie. Als wichtigste Erscheinungen des Steinleidens gelten: Gallenkolik, Cholezystitis, Cholestase, Choledocholithiasis, Cholangitis und biliäre Pankreatitis.
Die Cholezystektomie stellt nach wie vor für die Cholezystolithiasis die therapeutische Referenzmethode dar, an der andere Therapieverfahren sich messen lassen müssen. Die Möglichkeit, die Gallenblase laparoskopisch entfernen zu können, hat dem chirurgischen (bzw. endoskopisch-chirurgischen) Vorgehen weiteren Auftrieb verschafft. Dennoch besteht – vom Patienten vorgetragen, bisweilen auch nach der Einschätzung des Klinikers – Bedarf an konservativen Behandlungsmethoden: Ätherlyse (Methylterbutyläther [MTBE]) durch perkutane transhepatische Gallenblasenpunktion oder eine endoskopisch (bei einer ERCP = endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikoskopie) platzierte nasocholezystische Sonde, orale Litholyse mit Gallensalzen, bei Bedarf vorbereitet durch eine extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL).
Bei der Choledocholithiasis überwiegen heute, gegenüber der Operation, endoskopische Sanierungsversuche: endoskopische Papillotomie, Steinextraktion, Lithotripsie – mechanisch bis laservermittelt, bisweilen unterstützt durch die ESWL –, selten ergänzt durch die Katheterlyse mit Gallensalz-EDTA und Glyzeromonooktanoat über eine nasobiliäre Sonde.
Therapie von GallenkolikenAnalgetika wie Metamizol oder Pethidin und Spasmolytika wie Buthylscopolamin können Gallenkoliken meist coupieren (S. 269). Bei einer gleichzeitigen Cholezystitis kommen Antibiotika zum Einsatz. Zusammen mit dem Chirurgen gilt es, die Indikation für eine (Früh-)Operation festzulegen bzw. konservative alternative Konzepte zu erwägen.
Auflösung von GallensteinenChenodeoxycholsäure (Chenofalk), Ursodeoxycholsäure (Ursofalk)
Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten:Ein Überwiegen von Cholesterin gegenüber Gallensalzen in der Gallenflüssigkeit prädestiniert zur Bildung von Gallensteinen. Chenodeoxycholsäure hemmt die Cholesterinsynthese und damit die Cholesterinausscheidung über die Galle, Ursodeoxycholsäure die enterale Cholesterinaufnahme und ebenfalls die hepatische Cholesterinsynthese; beide Substanzen verschieben also das Gleichgewicht zu Gunsten der Gallensäuren: Cholesterinsteine können in Lösung gehen.
Unerwünschte Wirkungen und Grenzen der Methode:Nur Cholesterinsteine (nicht Bilirubinsteine oder verkalkte Steine) sprechen auf die Therapie an. Große Steine (mit relativ zum Volumen kleiner Oberfläche) eignen sich nicht. Die Behandlungsdauer erstreckt sich zum Teil über ein Jahr. Häufig kommt es zu Rezidiven, die oft neue Therapiezyklen erfordern. Chenodeoxycholsäure gilt als schwach hepatotoxisch (erhöhte Leberwerte), ruft gelegentlich Diarrhöen hervor und erhöht leicht die Serumcholesterinwerte. Als Monotherapie wird Chenodeoxycholsäure daher kaum eingesetzt, durchaus aber (in reduzierter Dosis) in Kombination mit der Ursodeoxycholsäure, die Leber und Blutfette nicht ungünstig beeinflusst und deren laxierende Wirkung keine Probleme aufgibt. Ursodeoxycholsäure begegnet uns daher auch in der Monotherapie.
Pankreaserkrankungen
Akute Pankreatitis
Eine akute Pankreatitis stellt eine sehr ernste Erkrankung dar. Die aggressiven Enzyme dieser Drüse befähigen – einmal aktiviert – die Drüse zur Selbstverdauung, zur Nekrose, tragen die Zerstörung in die Umgebung weiter, greifen vor allem das Fettgewebe an, aktivieren Gerinnungsfaktoren (Verbrauchskoagulopathie) sowie Kinine und andere vasoaktive Wirkstoffe mit blutdrucksenkenden Eigenschaften. Hinzu kommt ein erheblicher Flüssigkeitsverlust im Entzündungsgebiet. Kreislaufdekompensation, akutes respiratorisches Versagen (ARDS) und Nierenversagen sowie diabetische Stoffwechselentgleisung drohen als systemische, gastroduodenale Stressläsionen, Ileus, Nekrose, Abszedierung und Blutung als abdominelle Komplikationen. Aus einem breiten therapeutischen Repertoire gilt es, dem Einzelfall angemessene Lösungen zusammenzustellen:
-
allgemeine Intensivüberwachung und Intensivtherapie,
-
Korrektur des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts sowie des Kohlenhydratstoffwechsels,
-
Substitution von Eiweiß- und Blutverlusten,
-
parenterale Ernährung (orale Nulldiät),
-
Low-Dose-Heparinisierung, Korrektur von Gerinnungsstörungen,
-
Therapie und Prophylaxe von Komplikationen (z.B. Beatmung, Dialyse),
-
Ulkusprophylaxe (S. 236),
-
entlastende Magensonde,
-
Therapie eines paralytischen Ileus (z.B. Periduralkatheter),
-
Schmerztherapie (Pethidin, Indometacin?, Periduralkatheter),
-
Antibiotika (bei Komplikationen, bei biliärer Pankreatitis),
-
endoskopische Notfallpapillotomie,
-
Operation (Nekrosektomie, Abszessdrainage).
Sekrethemmung
Kalzitonin (Calsynar), Somatostatin (Somatostatin Ferring), Octreotid (Sandostatin)
Wirkungsweise:Kalzitonin hemmt die Pankreassekretion (und die Magensekretion), stellt also das kranke Organ ruhig. Man erzielt einen rascheren Abfall der Laborwerte und eine gewisse Schmerzlinderung. Wie bei allen anderen medikamentös-spezifischen Therapieversuchen lässt sich eine eindeutige Prognoseverbesserung (Senkung der Letalität) nicht beweisen. Auch Somatostatin bzw. sein Analogon wird wegen seiner Sekrethemmung in der Therapie versuchsweise eingesetzt. Günstige Ergebnisse werden aus der Spätphase berichtet (z.B. Schließung von Pankreasfisteln unter Therapie).
Enzymhemmung
Prokain (Novocain), Natrium-Kalzium-EDTA
Wirkungsweise:Prokain hemmt die Pankreasphospholipase A. Darauf beruht wohl seine gute analgetische Wirkung bei Pankreatitis. Erste Therapieberichte liegen auch über das enzymhemmende Natrium-Kalzium-EDTA vor. Der Enzyminhibitor Aprotinin (Trasylol) wurde wegen ungenügender Wirksamkeit wieder verlassen. Unzweifelhaft günstigere Verläufe lassen sich für die Enzymhemmung freilich auch mit den anderen Substanzen so wenig belegen wie für die Sekrethemmung.
Chronische Pankreatitis
Bei einer chronischen Pankreatitis lassen sich folgende Therapieziele formulieren:
-
fortschreitende Organzerstörung und konsumierenden Entzündungsprozess unterbinden,
-
Schmerzen lindern,
-
endokrine Insuffizienz (pankreopriven Diabetes mellitus) korrigieren,
-
exokrine Insuffizienz (Verdauungsschwäche = Fermente des Pankreas werden nicht mehr gebildet und müssen deshalb ersetzt werden) beheben.
Als Basistherapiemaßnahme gilt eine angemessene Diät, vor allem aber der Alkoholverzicht. Papillotomie und endoskopische Extraktion von Pankreaskonkrementen (in klinischen Studien auch die Einlage von pankreatoduodenalen Drainagen) entlasten bisweilen die Drüse. Pseudozysten lassen sich oft punktieren oder endoskopisch drainieren. Schwere Defekt- und Narbensituationen versucht der Chirurg anzugehen. Endoskopische und chirurgische Maßnahmen bewirken häufig auch eine Schmerzlinderung. Die Fermentsubstitution bessert nicht nur die pankreatische Maldigestion, sondern, da die Drüse weniger stimuliert werden muss, bisweilen auch die Schmerzen. Physikalische Maßnahmen (Wärmeapplikation) wirken lindernd. Immer wieder benötigt man gleichwohl Analgetika, aber nur selten als Dauertherapie. Alternativ kommen Lokalanästhesien (Ganglion-Coeliacum-Blockade) in Betracht. Vielversprechend erscheinen auch die Ergebnisse von Behandlungsversuchen mit Octreotid (Sandostatin), einem Somatostatinanalogon (S. 288). Der pankreoprive Diabetes erweist sich in der Regel als insulinpflichtig und gilt als besonders labil.
Fermentsubstitution
Kreon, Pankreatan, Pankreon, Panpur, Panzytrat
Wirkungsweise:Selbstverständlich nur oral zu applizierende Enzymkombinationen sollen die pankreatische Verdauungsleistung ersetzen. Sie lindern Diarrhöen und verbessern den Ernährungszustand bei exokriner Pankreasinsuffizienz. Ihre Anwesenheit im Verdauungskanal senkt die Pankreozymin-Cholezystokininspiegel, sodass das Pankreas weniger stimuliert wird. So erklärt man sich ihre „analgetische Effekte“. Eine weitere Indikation könnte sich bei einer „pankreozibalen Asynchronie“ (fehlende Abstimmung von Pankreassekretion und Speisetransport, z.B. beim Billroth-II-Magen) ergeben.
Praktischer Hinweis:Die Einnahme über die Mahlzeit verteilt, sichert die beste Durchmischung mit dem Speisebrei. Der saure Magensaft inaktiviert die Pankreasenzyme. Daher sind die meisten Handelspräparate säurefest verkapselt und lösen sich erst im Dünndarm auf. Bisweilen empfiehlt sich gleichwohl die Kombination mit einem H2-Rezeptor-Antagonisten oder einem Protonenpumpenhemmer. Einige Fermentpräparate enthalten auch Gallensalze (welche die Fettverdauung verbessern sollen). Doch können Gallensalze Durchfälle auslösen.